Nun hat also auch Lars Fischer, der Vielschreiber unter anderem bei Spektrum.de, das Thema Biokohle entdeckt. In einem Beitrag mit dem Titel »Wie Kohlendioxid Erdöl ersetzen soll« hat er im Zusammenhang mit der Speicherung von Kohlendioxid in Form von Biomasse auch die Biokohle entdeckt, denn er stellt zu recht fest:
Die zurzeit bedeutendste Form der Kohlendioxidnutzung geht den Umweg über Biomasse. Pflanzen ziehen gigantische Mengen des Klimagases aus der Luft. Im Hinblick auf den Klimaschutz ist das allerdings nur dann hilfreich, wenn er dauerhaft gespeichert bleibt – und unter natürlichen Bedingungen geschieht das lediglich mit einem winzigen Bruchteil des gesamten Kohlenstoffs.
Er erwähnt dann eine Menge richtiger Dinge über Biokohle und Terra Preta im Amazonasgebiet. Er nennt als Vision:
Weltweit könnte in Zukunft technisch hergestellte Biokohle Böden dauerhaft fruchtbarer machen und gleichzeitig enorme Mengen Kohlendioxid aus der Atmosphäre ziehen.
Leider hat er diesen Gedanken nicht weiter vertieft, sondern lässt einen staatlich alimentierten Bedenkenträger (Andreas Möller von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe) zu Wort kommen. Der erzählt im wesentlichen nur das, was die BGK auch auf ihrer Website seit Jahren verbreitet:
Der Einsatz von Biokohlen als Bodenhilfsstoff kann allerdings nur in Verbindung mit einer nachgewiesenen Ertragssteigerung, bzw. anderen agronomischen Vorteilen gerechtfertigt werden. Die Einbringung von Biokohle in unsere Böden lediglich zur Kohlenstoffspeicherung käme einer Abfallentsorgung gleich. In diesem Fall sollte vielmehr als Konzept die energetische Nutzung von Biokohle vorangetrieben werden.
Nichtsdestotrotz gibt es Hinweise darauf, dass mit bestimmten Biokohlen für kohlenstoffarme Böden auch in Deutschland agronomische Vorteile erzielt werden können. So konnte die Forschergruppe zeigen, dass Stickstoffverluste nach Applikation von Biokohlen verringert werden können und somit mineralischer Dünger eingespart werden könnte.
Und wieder wird die Behauptung bemüht, die Biokohle könnte zur »Abfallentsorgung« missbraucht werden. Die schlichte Tatsache, dass es mit dem »European Biochar Certificate« strenge Richtlinien gibt, zu deren Einhaltung sich alle namhaften Hersteller verpflichten, wird nicht erwähnt.
Immerhin hat Dr. Andreas Möller mitbekommen, dass für Biokohle keine Regenwälder abgeholzt werden (wie von Kritikern gelegentlich unterstellt), sondern dass dafür die reichlich vorhandenen Nebenprodukte aus der Landwirtschaft verwendet werden können. In einigen Ländern (etwa in China) wird nach der Ernte das trockene Stroh auf den Feldern abgebrannt, was zu der grossflächigen Luftverschmutzung beiträgt.
Die Erwähnung der Kaffeschalen in Äthiopien kann nur als unzulänglicher Versuch betrachtet werden, die Dimension des Potentials herunterspielen und den Eindruck erwecken, es handle sich nur um unmassgebliche Mengen eines Luxusprodukts aus der Nische. Äthiopien, immerhin einst das Ursprungsland von Kaffee, ist zum grössten Produzenten geworden. Die aktuelle Produktion von 0,6 Mio t Bohnen soll bis 2024 verdreifacht werden. Die Rückstände der Kaffeeproduktion (Husk und Pulp) machen ein Drittel bis die Hälfte des Gewichts der verkaufsfertigen Bohnen aus.
Viel grösser sind natürlich die Potenziale bei Massengütern, wie Getreide, Reis und Zuckerrohr. Teilweise werden die jeweiligen Nebenprodukte schon verbrannt und sogar in Kraftwerken genutzt.
Bei Mais wird das Korn-zu-Stroh-Verhältnis mit etwa 1:1 angegeben, was die Abschätzung des nationalen und globalen Potenzials erleichtert. Viele Reststoffe fallen direkt bei den mehr oder weniger zentralen Verarbeitungsbetrieben (z.B. Mühlen) an, wo sie nicht selten einfach vergammeln oder unter offenem Himmel verbrannt werden, weil es keine sinnvolle Nutzung gibt. Es gibt eine unübersehrbare Fülle von Vorschlägen für die Verwertung, von Energieträger bis Baustoff. Aber oft sind das Lösungen, die nur für ein bestimmtes Material anwendbar sind, während die Umwandlung zu Biokohle fast immer funktioniert.
Manche hoffen einen regelrechten Boom, wenn die Einlagerung von Kohlendioxid durch einen finanziellen Anreiz vergütet wird. Australien hat schon einen Anfang mit solchen »Carbon Credits« gemacht.
Deutschland ist nicht die Welt
Dem Argument, dass die Böden in Deutschland zu fruchtbar für eine sinnvolle Anwendung von Biokohle seien, werden die Landwirte, die dem Humus im Boden grössere Bedeutung beimessen (Biobauern), nicht uneingeschränkt zustimmen. Selbst wenn es wahr wäre, blendet es aus, dass weltweit riesige Flächen als »degradiert« gelten und durch sinnvolle Massnahmen zur Bodenverbesserung wieder fruchtbares Ackerland werden können.
Die hilfreiche Wirkung von Biokohle in den Tropen wird von den Biokohle-Skeptikern am wenigsten bestritten. Es hat sich gezeigt, dass ganz ähnliche fruchtbare Stellen, wie am Amazonas, auch in Westafrika gefunden werden, die als »African Dark Earth« bezeichnet werden. Es wäre an der Zeit, diesem vorkolonialen Erbe den ihm gebührenden Platz zuzuweisen.
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