Mythische Holzkohle

Holzkohle und Köhlerei sind von vielerlei Mythen umwoben. Hier soll aber nicht die Rede von den Sagen aus abgelegenen Regionen (Harz, Erzgebirge, Thüringer Wald) sein, wo sich Köhler entweder dem Teufel verschrieben haben oder wackere Kohlenbrenner in der Art von Robin Hood für Gerechtigkeit sorgen.

Es geht um moderne Mythen über die Rolle der Holzkohle in der Energiewirtschaft und in der Ökologie, insbesondere in weniger industriell entwickelten Regionen (Afrika, Asien, Süd- und Mittelamerika).

Es gibt eine Studie mit dem Titel »Dispelling common misconceptions to improve attitudes and policy outlook on charcoal in developing countries« aus dem Jahr 2013, die in der Zeitschrift »Energy for Sustainable Development«, Nr. 17 auf Seite 75–85 (Abstract englisch und Download als PDF) erschienen ist.

Die Autoren sprechen von fünf Mythen, die heute die Diskussion um die Holzkohle bestimmen und sehen sich veranlasst darauf hinzuweisen, dass falsche Annahmen zu falschen politischen Entscheidungen führen können.

Die fünf Mythen sind

  1. Holzkohle ist ein Energieträger der Armen
  2. Die Menge, die zum Kochen eingesetzt wird, nimmt ab
  3. Holzkohle-Produktion ist verantwortlich für die Entwaldung
  4. Holzkohle ist wirtschaftlich unbedeutend
  5. Verbesserte Herde verbessern die Situation bei der Entwaldung und bei der Emission von Klimagasen

Die Entstehung dieser Mythen wird durch Auswertung einer Vielzahl anderer Studien erläutert.

Konfusion bei Feuerholz und Holzkohle

Es fängt schon damit an, dass viele Studien und Statistiken nicht zwischen Feuerholz und Holzkohle unterscheiden (die Begriffe „fuelwood“ und „woodfuel“ werden oft synonym benutzt) und alle Folgen der Entnahme von Holz der Holzkohle zugeschrieben würden. Zudem seien bei der Abnahme der Waldflächen ganz andere Faktoren die treibende Kraft (z.B. die Gewinnung von Flächen für Ackerland oder Plantagen, Export von tropischen Hölzern) und das zwangsläufig anfallende Holz werde als Nebenprodukt zur Energiegewinnung genutzt

Mängel in der Statistik

Dazu kämen völlig unzureichende statistische Angaben über das Volumen der Holzkohlenutzung. Internationale Organisationen, wie FAO oder IEA verwenden unterschiedliche Kriterien und kommen zu abweichenden Angaben.

Zudem ist die Statistik schwierig, weil sich das Holzkohlegeschäft fast vollständig im informellen Sektor bewegt und kaum von staatlichen Kontrollen erfasst wird. Es werden nicht einmal Steuern bezahlt.

Das ist eine Folge davon, dass Holzkohle vor etwa drei Jahrzehnten zu einem »primitiven« Brennstoff erklärt wurde, der unbedingt durch moderne Energieträger (Kerosin, Flüssiggas, Strom) ersetzt werden müsse. Diese moderen Energieträger galten als umweltfreundliche Alternative sowohl beim Einsatz in der Küche (keine Rauchbelästigung), als auch als probates Mittel gegen die Entwaldung.

Diese Logik stellt die Studie in Frage und verweist darauf, dass in keinem Land die Einführunge »moderner« Energieträger von Erfolg gekrönt gewesen sei. Die fossilen Brennstoffe müssten meist nicht nur (gegen Devisen) importiert werden, sondern seien nur durch Subventionen gegenüber den im Land selbst produzierten konkurrenzfähig. Ohne Subvention kehrten die Haushalte wieder zu ihren traditionellen Brennstoffen zurück. Und das elektrische Kochen ist in vielen Ländern, die unter chronischen Stromausfällen leiden, ohnehin kaum eine realistische Alternative.

Wirtschafliche Dimension der Holzkohle

Mit dem Stigma des »Brennstoffs der Armen«, der ohnehin bald durch »modere« Energieträger ersetzt würde, blieb die Holzkohlewirtschaft im toten Winkel der Entwicklungspolitik. Sogar als die Akzeptanz der regenerative Energien gestiegen war, betraf das in erster Linie die Solarenergie und die Windkraft (modern). Soweit Biomasse ins Spiel kam, waren das hypertrophiere Projekte zur Gewinnung von Biokraftstoffen aus Zuckerrohr, Palmöl oder Jatropha, wieder für den Export, die ihrerseits Triebkräfte für die Entwaldung waren.

Infolgedessen finde oft die Herstellung von Holzkohle oft unter primitiven Bedingungen statt, die eine schlechte Ausnutzung des Rohmaterials in Verbindung mit einer beträchtlichen Umweltverschmutzung auszeichnet. Man kann aber den Produzenten (analfabetische Bauern) kaum vorwerfen, dass sie sich nicht über den Stand der Technik, der in den USA und Europa schon vor Jahrzehnten erreicht worden ist, sachkundig machen und ihre Anlagen auf den neuesten Stand bringen.

So wird Holzkohle zum Teil in einfachen Erdgruben hergestellt und nicht einmal der sachgemässe Aufbau und Betrieb eines Meilers, wie es für ganz Europa seit dem Mittelalter dokumentiert ist, ist überall bekannt.

Vom Land in die Metropolen

Die so erzeugte Holzkohle dient aber nicht dem Eigenbedarf der Landbevölkerung, die weiter mit Holz auf dem traditionellen »Drei-Steine-Herd« ihre Mahlzeiten zubereitet. Die Holzkohle ist ein landwirtschaftliches Produkt, das in den Handel geht und Einnahmen bringt.

Dabei hat die Holzkohle unschätzbare Vorteile: Sie ist leicht zu transportieren, viel leichter als Holz, das sperrig ist und oft noch Feuchtigkeit enthält. Die Qualität ist definiert oder leicht durch den Augenschein überprüfbar.

So sind im Umkreis der Metropolen in Afrika die schweren LkW unübersehbar, die Holzkohle in standardisierten Säcken in die Ballungsgebiete bringen. Es ist ein Geschäft an dem viele beteiligt sind. Auf die Produzenten folgen die regionalen Aufkäufer die das Material für eine LkW-Ladung zusammenbringen. In den Städten gibt es ein Veteilsystem aus Grosshändlern und kleinen Verkaufsstellen, wo man sich mit dem Bedarf für eiHolzkohle Kenia Erlösenen Tag oder eine Woche eindecken kann.

In den meisten Ländern werden mit Holzkohle Millionen umgesetzt. So beläuft sich in Kenia der Umsatz auf 450 Millionen $ im Jahr, was etwa dem Anteil  Tee-Produktion entspricht. Allein im Dar es Salam im benachbarten Tansania werden 350 Millionen $ umgesetzt. Dabei handelt es sich um Zahlen der Weltbank, die teilweise schon zehn Jahre alt sind. Durch das Wachstum der Ballungsgebiete hat sich das Volumen des Holzkohlenmarktes weiter vergrössert und es ist keine Übertreibung, wenn man allein für das subsaharische Afrika von einem Milliarden-Dollar-Geschäft spricht.

Demensprechend hoch ist die Zahl der Personen, die sich mit der Holzkohle ihren Lebensunterhalt verdienen. In Kenia sind es mehrere 100.000 Personen, viele davon im Handel. Ungefähr ein Fünftel des Endpreises bleibt bei den Produzenten, den Rest teilen sich Zwischenhandel und Transport. In manchen Regionen kommen noch Abgaben an Kontrollposten dazu, die von Bürgerkriegsparteien eingerichtet werden.

Holzkohle finanziert den Terror

Welche Gewinne, die aus dem Holzkohle-Geschäft winken, haben auch terroristische Organisationen erkannt. So hatte die islamistische »Al-Shabaab-Miliz« in Somalia das Potential erkannt und lieferte ganze Schiffsladungen auf die arabische Halbinsel. Nach der Befreiung der Region lagen im Hafen von Kismao rund 4 Millionen Säcke zur Verladung bereit.

Zweifelhafte Rezepte

Die Studie bezweifelt die Wirkung von Programmen, die auf die breite Einführung von verbesserten Kochherden (ICS = Improved Cook Stoves) setzen. Auch das Umweltprogramm der Vereinten Nationen fördert und prämiert solche Aktivitäten. Für Afrika gibt es etwa Africa Clean Energy, mit dem Ziel einen effizienten Herd zu verbreiten.

Schon die Prämisse, dass die Nutzung von Biomasse als Energieträger für die Entwaldung verantwortlich gemacht werden könne, sei falsch. Infolgedessen seien auch die auf dieser Prämisse basierenden Massnahmen wenig erfolgversprechend. Die meisten der gutgemeinten Programme hätten sich als Fehlschlag erwiesen. Die verbesserten Herde seien weniger haltbar als versprochen und würden beiweiten nicht in dem versprochenen Umfang eingesetzt.

Holzkohle getrennt betrachten

Eine wichtiges Ergebnis der Studie ist die Empfehlung, dass Holzkohle und Feuerholz (unprocessed fuel) getrennt zu betrachten seien und nicht wie bislang in einen Topf geworfen werden.

Im Zusammenwirken mit der Forstwirtschaft kann eine nachhaltige Produktion von Holzkohle realisiert werden, wie es in Kenia schon praktiziert wird.

Autoren der Studie:

Tuyeni H. Mwampamba
Centro de Investigaciones en Ecosistemas (CIEco), Universidad Nacional Autónoma de México, antigua carretera a Pátzcuaro 8701, Morelia, Michoacán 58190, Mexico

Adrián Ghilardi
Centro de Investigaciones en Geografía Ambiental (CIGA), Universidad Nacional Autónoma de México, antigua carretera a Pátzcuaro 8701, Morelia, Michoacán 58190, Mexico
School of Forestry & Environmental Studies, Yale University, 195 Prospect Street, New Haven, CT 06511, USA

Klas Sander
World Bank 1818 H Street, N.W.10 Washington, DC 20433, USA

Kim Jean Chaix
The Charcoal Project, 378 Clinton Street, Ste. #1, Brooklyn, NY 11231, USA

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