Kohle killt Reblaus

Mit der Reblaus entstand in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine existenzgefährdende Bedrohung für den Weinbau.  Der Befall mit Phylloxera, wie die Reblaus in der Fachsprache bezeichnet wird, wurde zuerst 1862 in Frankreich beobachtet und breitetes sich über alle Weinregionen aus: 1872 Österreich und Ungarn, 1873 die Schweiz, 1875 Spanien, 1879 Italien und schliesslich 1881 Deutschland.

Zwischen 1865 und 1885 zerstörte die Reblaus große Teile der französischen Weinanbaugebiete, die erst um 1850 nach der Mehltaukrise durch neue Reben aus Amerika ersetzt worden waren. Insgesamt wurden allein in Frankreich annähernd 2,5 Millionen Hektar Rebfläche vernichtet.

Es begann eine hektische Suche nach einem Gegenmittel, wie an den Beiträgen in »Dinglers Polytechnischem Journals« abzulesen ist, wo die Reblaus nur zwischen 1870 und 1890 ein Thema war.

In dem von Otto Lange herausgegebenen Handbuch für »Chemisch-Technische Vorschriften« werden auf seit 745/746 eine Reihe von Chemikalien aufgeführt, die mehr oder weniger erfolgreich angewandt wurden. Darunter findet sich auch die Anmerkung, dass nach einem Patent (D.R.P. 20 772) gewöhnlicher Kohlenruss in einer Grube um die Rebe ein »ausgezeichnetes Reblausvertilgungsmittel« sein soll:

Das ganze Kapitel 106 des Buches »Was da kriecht und fliegt! Bilder aus dem Insektenleben« von Ernst Ludwig Taschenberg in der 2. Auflage aus dem Jahr 1878 ist der »Die Wurzellaus der Rebe, Reblaus« (Phylloxéra vastatrix) gewidmet.

Hier klingt das noch sehr geheimnisvoll:

Eine verwittwete Frau Sottorf in Hamburg besitzt ein Geheimmittel, welches sie an den von der Rinde etwas entblößten Wurzelhals der verseuchten Rebstöcke gießt. Die von ihr im Frühjahre (1877) behandelten kranken Reben in der Handelsgärtnerei von Haage und Schmidt in Erfurt erwiesen sich bei der letzten Revision (Anfangs August 1877) frei von Wurzelläusen, während eine zwei Schritte von ihnen entfernte Reihe, welche mit einem der von Frankreich her angepriesenen Mittel behandelt worden war, nach wie vor mit denselben behaftet gefunden wurde. Der eigenen, mündlichen Angabe zufolge hat die Frau im Laufe dieses Sommers gleich günstige Erfolge in Frankreich durch ihr Geheimmittel erzielt.

Dinglers Polytechnisches Journal gibt als Datum des Patents den 6. Mai 1872 an.

Die Patenschrift wurde am 26. Januar 1883 ausgegeben und ist für heutige Verhältnisse angenehm kurz.

Es läuft auf Johanna Sottorf in Hamburg und lautet: »Verfahren zur Vertilgung der Reblaus und zum Schutz das Weinstocks gegen dieselbe«

Die Beschreibung sind nur wenige Zeilen: Es wird Ruß, welcher sich bei unvollkommener Verbrennung von Holz, vbKohlen und anderen Brennstoffen bildet, gesammelt und in einer Menge von ca. 12 l für jeden Weinstock in eine dicht um diesen gegrabene Oeffnung von etwa 0,25 m Tiefe und 0,125 ın Breite geschüttet und mit Erde bedeckt. Die Tödtung der auf einem inficirten Weinstoek befindlichen
Thiere erfolgt innerhalb 14 Tagen, während andererseits das Mittel, in obiger Weíse angewendet, verhindert, daß sich Rebläuse auf dem Stock ansammeln.

Die Wirkung des Rußes zur Tödtung der Rebläuse erfolgt bei obiger Anwendungsweise durch das in demselben enthaltene kohlensaure Kali, Kreosot und die Essigsäure, während das im Ruß enthaltene salzszıure Ammoniak außerdem noch zur Düngung des Rebstocks beiträgt.

PATENT-ANSPRUCH

Das Verfahren, Kolılenruß anzuwenden zum Zweck der Vertilgung der Reblaus in der Weise, daß der Ruß in eine um den Rebstock gemachte Grube eingeschüttet und mit Erde bedeckt wird.

Es wird klar, dass nicht die Kohle selbst der Reblaus gefährlich wird, sondern die bei der unvollständigen Verbrennung entstehenden Nebenprodukte.

Es wird auch nicht gesagt, ob es sich bei dem Ruß um solchen aus der Verbrennung von Holz handelt oder von Stein- und Braunkohle. Ebenfalls in Dinglers Polytechnischem Journal (1884, Band 252/Miszelle 7 auf Seite 264) ist eine Hinweis auf das Reblausmittel von L. Starck in Mainz (D. R. P. Kl. 45 Nr. 26509 vom 28. August 1883) wonach dieser »Naphtalin, Schwefelkohlenstoff, Theerwasser u. dgl. von zerkleinertem Moostorf aufsaugen [lässt], welcher von derselben 500 Proc. aufnehmen kann, ohne sein Volumen zu ändern, und bringt das humusartige Gemisch in den Boden oder auch in unmittelbare Nähe der Wurzeln und Stämme.«

Die Nutzung von Nebenprodukten aus der Entgasung von Steinkohle war dann kein Geheimtip mehr. Insbesondere der Schwefelkohlenstoff, dessen Giftigkeit 1866 beschrieben worden war, wurde vielfach gegen »Ungeziefer« angewandt. Der Schwefelkohlenstoff wurde in der am leichtesten siedenden Fraktion des Steinkohlenteers nachgewiesen (Leichtflüchtige Antheile des Steinkohlentheers, 1890, Band 276, Seite 78–90) und musste zur Gewinnung von Benzol entfernt werde.

Es war auch bekannt, dass Schwefelkohlenstoff durch eine Reaktion von Holzkohle mit elementarem Schwefel bei 800–1000 °C hergestellt werden kann.

Ruß als Düngemittel

In seinem Werk »Die Lehre vom Dünger: oder Beschreibung aller bei der Landwirthschaft gebräuchlicher vegetabilischer, animalischer und mineralischer Düngermaterialien nebst Erklärung ihrer Wirkungsart« Leipzig 1839, 2. Auflage 1845 von Carl Sprengel gibt es ein ganzes Kapitel  (Seite 410/411) über dieses Thema (Ausführlicher in dem Beitrag: Ruß – ein ganz besonderer (Kohlen)Stoff in AgroKarbo.Info vom Juni 2018)

Der Ruß der Oefen und Schornsteine, welchen man in Nähe großer Städte erhalten kann, gehört zu den Düngemitteln, die am allerkräftigsten wirken, denn man hat nur nöthig 25 – 30 C.F. (=450 – 500 Pfd?) davon auf den Magd. Morgen zu zu bringen, um auf allen Bodenarten, hauptsächlich aber den leichten das üppigste Pflanzenwachstum wahrzunehmen. Der Ruß liefert uns wieder ein Beispiel, welchen großen Nutzen die Pflanzen von manchen Mineralien haben……

Ausführlicher geht die »Vollständige Düngerlehre« von Erhard Friedrich Leuchs aus dem Jahre 1825 auf das Thema ein. Es wird über Erfahrungen in Belgien und vor allem in England berichtet:

In Belgien düngt man Land, das zur Rapspflanzenschule bestimmt ist, oft mit Ruß. Der Korb von einem Würfelfuß (34 Litres) wird mit einem Franken bezahlt. Auf den berliner Morgen braucht man 25 Würfelfuße.

In England wird die Anwendung des Rußes (Steinkohlenruß) sehr allgemein. In seinem einfachsten Zustande tut er die besten Dienste auf leichtem, steinigen, kreidigen oder kalkigen Boden.

Diese Erfahrungen stammen teilweise noch aus Feldversuchen, die in der Mitte des 18. Jahrhunderts durchgeführt und in landwirtschaftlichen Fachzeitschriften veröffentlicht wurden.

 

Autor: Biehringer, Joachim
Fundstelle: 1890, Band 276 (S. 78–90)

 

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