Grillkohle beim Autohändler zu kaufen erscheint angesichts der Forderung nach Dekarbonisierung der Mobiliät etwas aus der Zeit gefallen. Wer in den 1930er Jahren in den USA ein Auto der Marke Ford gekauft hat, fand im Kofferraum einen Sack Holzkohle.
Henry Ford wolle damit seine Kunden motivieren, die neugewonnene automobile Freiheit zu nutzen, um draußen in der unberührten Natur ein Steak auf den Grill zu legen.
Andere sehen darin ein Indiz für die führende Rolle von Ford als Pionier der Wiederverwertung. Für seine Grillkohle wurden keine Bäume geopfert, denn sie wurde aus den Holzresten und dem Sägemehl von der Herstellung der Karrosierien seiner Autos hergestelt. Ford hatte in den 1920er Jahren ein Waldgebiet in Minnesota gekauft und die Fabrik von Iron Mountain gebaut. Eine Parallele zu Tesla im Wald von Grünheide drängt sich förmlich auf.
Das Restholz wurde nicht einfach verfeuert, sondern lieferte in einer hochmoderen Anlage zur „Destillation von Holz“ eine Palette von Chemierohstoffen, vor allem organische Lösungsmittel für die eigene Lackiererei. Von der Menge her war die Holzkohle das bedeutendste Produkt, aber sie brachte nicht viel ein. Viele Jahrtausende beruhte die Herstellung und Verarbeitung von Metallen auf Holzkohle, die vom 17. Jahrhundert an durch Steinkohle ersetzt wurde. Nur Huf- und Kunstschmiede hielten für ihr Handwerk an der Holzkohle fest.
Die Anlage von Ford setzte auch hier Maßstäbe, da er sich nicht auf die traditionelle Herstellung von Holzkohle eingelassen hat. Diese war in der klassischen Form des Meilers mit viel Handarbeit verbunden. Das Holz mußte in Handarbeit sorgfältig aufgeschichtet und mit Erde bedeckt werden. Der eigentliche Brennprozeß muße tagelang beobachtet und kontrolliert werden. Der Köhler hauste unter primitiven Bedingungen wochenlang neben seinen Meiler tief im Wald.
Auch die Ende des 19. Jahrhunderts aufkommenden Retorten wurden von Hand beschickt und entleert. Immerhin wurden damit die flüssigen Produkte (vor allem Essigsäure, Holzgeist, Teer) aufgefangen und konnten für gutes Geld verkauft werden. Alternative Herstellungsmethoden gab es kaum. Die nicht kondensierten Gase wurden als Brennstoff in der Anlage genutzt. In waldreichen Regionen der USA und in Europa (Skandinavien, Rumänien, Balkan) entstanden respektable Industrieanlagen zur Holzdestillation.
Die deutschen Anlagen gelangten nach einem jahrzehntelangen Konzentrationsprozess in die Hände der DEGUSSA. Aufgrund der Tatsache, daß die Chemierohstoffe, für die die Holzdestillation jahrzehntelang ein Monopol gehabt hatte, durch die Petrochemie billiger und in immer größeren Menge angeboten wurden, wurden diese Werke nach und nach stillgelegt. Ein Werk in Brilon-Wald wurde vollständig abgebaut. Lediglich der sogenannte „Essigturm“ blieb als Industriedenkmal erhalten.
Heute würde man die Holzdestillation als „Bioraffinerie“ bezeichnen, die aus biogenen Materialien wertvolle Chemierohstoffe gewinnt. Der Kernprozess, die Pyrolyse, funktioniert mit praktisch jeder Art von nachwachsenden Rohstoffen.
Das Hanfauto von Ford
Henry Ford hat in den 1940er Jahren auf Grundlage seiner Erfahrungen mit Holz eine Autofabrik auf der Grundlage von Hanf vorgeschlagen. Der genügsame und schnellwachsende Hanf könnte die Wälder schonen. Spektakulär ist ein Film, in dem Henry Ford selbst mit dem Hammer auf eine Karosserie aus einem Verbundwerkstoff aus Hanffaser und einem Kunstharz aus der Pyrolyse einschlägt ohne Dellen zu hinterlassen.
Die Zeitschrift „Popular Mechanics“ illustrierte das einen Beitrag dazu mit einer Grafik, in der die Analogie der Destillation von beliebigen Biomassen mit der Destillation von Rohöl gezeigt wurde. Alles könne aus Biomasse hergestellt werden, so die Botschaft.
Die Idee wurde bei der Wiederentdeckung der „Nutzpflanze Hanf“ in den 1990er Jahren wieder ausgegraben. Sie wurde aber bisher nicht aufgegriffen. Die Bioraffinerie-Varianten konkurrierten seitdem mit Nahrungsmitteln (z.B. die Ethanol-Bioraffinerie auf der Grundlage von Getreide) oder schließen sich in der Variante der „Lignin-Bioraffinerie“ an die Zellstoff-Industrie auf der Grundlage von Waldholz an.
Immerhin hat der Kernprozess einer Pyrolyse-Biorafferie eine neue Wertschätzung erfahren. Die Kohle wird für die Herstellung des Bodenverbesserungsmittels „Terra Preta“ in der Landwirtschaft und im Gartenbau eingesetzt. Wie der im deutschen Sprachraum verbreitete Begriff „Pflanzenkohle“ andeutet, muß das der Rohstoff nicht notwendigerweise vom Baum kommen, sondern kann ein beliebiges pflanzliches Material sein. Gerne werden trockene Nebenprodukte aus der Landwirtschaft verwendet, die nicht als Nahrungmittel oder Futter taugen. (Getreidespelzen, Rebschnitt, Stroh, Landschaftspflegematerial, usw.).
Bislang wird – mit wenigen Ausnahmen – alles, was nicht als Kohle verkauft werden kann (Bodenhilfsstoff, Futterkohle), in der Pyrolyseanlage sofort verbrannt und in Nahwärmenetzen oder zur Stromerzung genutzt.
Pflanzenschutzmittel ohne Großchemie
Ausgehend von einer traditionellen Methode in Japan verbreitet sich die Nutzung der wässrigen Kondensationsprodukte in Südostasien als Pflanzenschutzmittel. Die Pyrolyseöle können als Treibstoff verwendete werden und der Teer ist ein seit der Steinzeit bewährter Klebstoff und Bindemittel für Briketts.
Bioraffinerie
Der „Verband der Chemischen Industrie“ hat 2011 eine grundsätzliche Positon zu Bioraffinerien vorgelegt und durch einen Statusbericht ergänzt.
2019 hieß es bereits „Auf dem Gebiet der Bioraffinerie hat sich in den letzten 16 Jahren viel getan“ und es sei eine weitere Steigerung bei der stofflichen Nutzung nachwachsender Rohstoffe in Deutschland möglich
Ford und die Holzkohle
Weitere Informationen zur Holzkohle aus Iron Mountain und danach.
Nachdem das Werk an Kingsford verkauft worden war, wurde unter dem neuen Markennamen (Kingsford) weiter produziert. Wiki (EN) mit Links zu den Quellen.
Die ganze Geschichte. Eröffnung eines Museums. Geschichte der Stadt Kingsford. eine andere Version in History Daily.
Beschreibung der Holzdestillation in Iron Mountain (engl.)
W. G. Nelson, Waste-wood Utilization by the Badger-Stafford Process the Ford Wood-Distillation Plant at Iron Mountain, Ind. Eng. Chem. 1930, 22, 4, 312–315
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