Holzgas und Hannibal

Vermutlich ist es das einzige literarische Zeugnis, das der legendäre Holzvergaser hinterlassen hat. Im Roman „Mit Holzgas und Hannibal“ dreht sich alles um eine Gruppe von Artisten, die ihre Auftritte im Norden Deutschlands in einem Fahrzeug mit Holzvergaser ansteuert.

Es gibt lediglich die Sachinformation, daß es ein Holzvergaser war, der Mitglieder der Gruppe 47 im namensgebenden Jahr 1947 vom Bahnhof Weilheim zu ihrem Gründungstreffen ins Allgäu brachte.

Aus dem Roman ergibt sich, daß es sich um einen Autobus der Marke „Ford“ gehandelt haben soll. Der Omnisbus-Unternehmer Prüser-Bus gibt an, daß er ein solches Fahrzeug besessen hat. Im Allgemeinen werden im Zusammenhang mit dem Holzvergaser die zig-tausenden Personenwagen, allenfalls die tausenden Traktoren, erwähnt, daß auch Lastwagen, Omnibusse, Lokomotiven, Triebwagen und Schiffe auf Holzgas umgestellt worden waren, ist weniger bekannt.

Ab Seite 48 lernen die Artisten ihr neues Transportmittel kennen und der Autor Walter Müller spart nicht mit launigen Bemerkungen über die Unzulänglichkeit des Holzvergasers, die sich in der Rauchentwicklung zeigt. Trotzdem schafft es das Fahrzeug im Verlauf der Geschichte auf einer schmalen Planke auf die Fähre nach Fehmarn.

Hannibal und das feuchte Holz

In einem kleinen Kurort Holsteins versammelte Weller das tote und lebende Inventar fur seine Gastspielreise. Es war ein bitterkalter Januarmorgen, und wir froren entsetzlich als wir auf den kleinen Platz, den Treffpunkt, zusteuerten, wo bereits einige Kollegen im Schnee herumhupften, die der Kleidung nach eine Nordpolreise vor sich hatten. Wir hauchten uns gegenseitig ein „Guten Tag“ zu und warteten auf den versprochenen Omnibus.

Die Zeit verging. Endlich hörten wir in der Ferne ein Getöse, als zöge Hannibal mit seinen Elefanten über die Alpen. Wir starrten auf die Straßenkreuzung und erblickten dort die Ursache des Lärms. Ein Lastwagen älterer Bauart kam um die Ecke; mehr konnten wir infolge der gewaltigen Rauchentwicklung zunachst nicht feststellen. Am Quietschen der Bremsen merkten wir, daß der Wagen vor uns hielt. Eine dichte Qualmwolke aus dem Holzgasgenerator hüllte das Ungetüm ein, so daß wir erst nach einigen Minuten auf den Direktor aufmerksam wurden, der schwarz wie ein Kohlentrimmer aus dem Führerhaus gestiegen war und uns nun einen guten Morgen wünschte.

Seinen Monsterautobus tauften wir „Hannibal“.

Das Tanzduo, die beiden Stellas, bekam einen Lachkrampf, die mannlichen Kollegen schüttelten fassungslos die Köpfe. Auf unseren Protest hin verstieg sich der Direktor zu der Behauptung, bei dem Wagen handle es sich um einen Omnibus, der nur im Krieg etwas gelitten hatte. Hohnisch lachend krochen wir in die Arche, verstauten uns zwischen Kisten und Koffern und warteten ab, was geschehen wurde.

Vorlaufig geschah nichts. Dann winselte der Motor einige Male, und dann winselte der Direktor. Nach einigen geräuschvollen Fehlzündungen des Motors notigte uns dann der Herr Direktor zum Anschieben des Vehikels.

„Das steht nicht im Vertrag!“ protestierte Mac, der Musicalclown, und schob seine Leibesfülle achzend die Treppenleiter hinunter. Gemeinsam brachten wir „Hannibal“ zum Rollen, wobei Mac ausglitt und um ein Haar das erste Opfer der Tournee geworden ware.

Nach etwa hundert Metern blubberte der Motor friedlich, und wir krochen schnaufend wieder auf unsere Platze. Knallend und schaukelnd gewann der Wagen die offene Landstraße. Alle dösten vor sich hin, bis Mac eine paar Witze erzählte, die zu den schlüpfrigsten zahlten, die ich je gehört hatte. Die beiden Tanzerinnen verbargen schamhaft ihre Kopfe in den Decken, wogegen die Frau des Fakirs lebhaftes Interesse zeigte. Wir wurden kraftig geschüttelt,von rechts nach links geworfen,und dann gab der Motor plötzlich sonderbare Töne von sich. Der Direktor stohnte, und der Wagen blieb stehen. Wir sahen uns vielsagend an.

„Feuchtes Holz!“ knurrte der Direktor erklärend in unser Gelaß, dabei stocherte er grimmig im Kessel des Generators. Unser Käfig füllte sich mit Rauch, und wir husteten mit tränenden Augen.

„Entsetzlich“, seufzte der Conferencier Willibald und bespritzte sich ausgiebig mit Lavendel.

An sich ist so eine Holzgasanlage sehr interessant. In den großen Kessel des Generators wird Holz geschüttet, das – schön zerkleinert und trocken – geeignet ist, den Motor mit Gas zu versorgen. Unter dem Kessel lodert ein Feuerchen, dieses schwelt das Holz zur Holzkohle. Das dabei gewonnene Gas wird gereinigt und gekuhlt dem Motor zugefuhrt und entwickelt die Kraft, die in besseren Zeiten das Benzin von sich gab. Leider funktionierte das in der Praxis nicht SO gut.

Während unser Direktor wie der Erzengel Michael mit dem Spieß in dem Kessel bohrte, ergingen wir uns in Vermutungen über das wahrscheinliche Alter Hannibals. Ben Hali, der Fakir, hielt es für möglich, daß Methusalem an der Konstruktion mitschuldig wäre. Den Direktor traf die offenkundige Unterschätzung seines Autos ins Herz. Wütend schmetterte er den Deckel auf den Kessel. Der Ventilator, der das Gas in den Motor saugt, begann in den höchsten Tönen zu heulen.

„Bei Allah!“ schrie Ben Hali entsetzt, „die erste Vorstellung geben wir im Himmel!“ Nach einer Serie von Fehlzundungen ratterten wir weiter. In unserem Kafig war es empfindlich kalt geworden. Wir stimmten darum ein kraftiges Lied an, was allerdings den Drahtseiltanzer Neumann aus dem Schlummer riß. Am Spätnachmittag erreichten wir unseren Bestimmungsort. Der Direktor hatte den großen Saal eines Hotels gemietet, und wir begannen vor diesem, die umfangreichen Gepäckstücke aus der Arche zu laden.

 

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