Der Vierjahresplan verlangt eine möglichst weitgehende und vielfältige Ausnutzung der inländischen Rohstoffquellen. Einer der Rohstoffe, der in beträchtlicher Menge zur Verfügung stellt, ist Holz, und die Zahl der Stoffe, die unmittelbar oder mittelbar aus ihm gewonnen werden, ist Legion. Hier soll nur die Rede von den chemischen Erzeugnissen sein, die auf dem Wege der trockenen Destillation gewonnen w erden.
Erhitzt man Holz, das etwa 50 % Kohlenstoff enthält, unter Luftabschluß, so entweichen neben der natürlichen Feuchtigkeit eine ganze Reihe flüchtiger Stoffe, und zurück bleibt die Holzkohle mit 80 bis 90 % Kohlenstoffgehalt. Die Gewinnung der Holzkohle im Meilerbetrieb ist uralt, aber unwirtschaftlich, da gerade unter den flüchtigen Bestandteilen, die den weithin wahrnehmbaren Geruch des brennenden Meilers bedingen, wertvollste chemische Stoffe sich befinden, die hier verloren gehen. Darum ist denn auch der primitive Meilerbetrieb heute fast völlig aufgegeben.
Bereits 1857 wurde in Lorch am Rhein die erste Fabrik zur Destillation des Holzes gegründet und seither hat der steigende Bedarf an Holzdestillationsprodukten zahlreiche entsprechende Anlagen im In- und Auslande entstehen lassen.
In ihnen wird zu etwa 60% Hartholz (vor allem Buchenholz als bestes Rohmaterial) verarbeitet, daneben Ahorn, Liehe und Birke (etwa 30%) und nur 10% Nadelhölzer, weil die Verarbeitung der letzteren wirtschaftlich ungünstiger ist. Der Verkohlungsindstrie kommt darum eine besondere wirtschaftliche Bedeutung zu, weil sie vor allem Waldabfälle (Brennholz in Form von Scheitern, Knüppeln und Reisern, auch Wurzclstöcke) und die Abfälle der mechanischen Holzbearbeitung verwertet. Die notwendigen Mengen machen jährlich nur etwa 3 % der anfallenden Hartbrennholzmenge aus. so daß die Verkohlungsindustrie ohne weiteres noch ausgebaut werden kann, ohne andere Interessen zu gefährden.
Die Destillation dos Holzes spielt sieh folgendermaßen ab: Das zerkleinerte Holz wird in schmiedeeiserne Wagen eingeschichtet und in waagerecht liegende eiserne oder gemauerte Behälter (Retorten) eingefahren. Die Erhitzung der letzteren erfolgt durch eiserne Heizkörper, die in der Retorte selbst liegen und durch die die Fcuergase oder andere gasförmige Heizmittel hindurchstreichen. Eine Retorte faßt gewöhnlich drei Wagen mit je 10 Raummeter Holz, d. h. ungefähr 15 000 kg, dessen Destillation 24 Stunden dauert. Außer der Tiir zum Einfahren der Wagen besitzt die Retorte eine zweite Öffnung, durch welche die gas- und dampfförmigen Dcstillationsprodukte in die vorgeschaltete Kühlanlage übergehen, in der die dampfförmigen Stoffe niedergeschlagen werden.
Durch die Erhitzung wird zunächst diu Holzfeuchtigkeit ausgetrieben. Ab 250 ° setzt jedoch im Holz eine chemische Reaktion ein, die die hochmolekularen Bestandteile des lufttrockenen Holzes aufspaltet in:
- Feste Holzkohle (30%), die als nicht flüchtig in den Wagen verbleibt;
- Rohholzessig (47%), in dem neben Wasser etwa 10% Essigsäure, 3% Holzgciststoffe, und
- Teer enthalten sind, der etwa 6% der Holzmasse ausmacht und im Holzessig gelöst und suspendiert ist.
- Gasförmige Stoffe, die im Kühler nicht kondensiert werden — vor allem Kohlemonoxyd und Kohlensäure — und zum Heizen der Retorten dienen.
Die Holzkohle wird unmittelbar verkauft oder dient als Ausgangsstoff für weitere Erzeugnisse, von denen nur zwei besonders erwähnt seien: der Schwefelkohlenstoff, der als Hilfsmittel zur Herstellung von Kunstseide dient und auch bei der Gewinnung von Pflanzenfetten eine Rolle spielt, und die Aktivkohle, die zum Entfärben von Zuckcrlösungcn u. ähnl., zur Gewinnung von Leichtbenzinen aus Petroleumgasen, zur Füllung von Gasmasken und anderem mehr verwendet wird.
Die Aufarbeitung des 82% Wasser enthaltenden Holzessigs ist die Hauptaufgabe eines Betriebs zur Destillation von Holz. Aus ihm wird zunächst der Rohholzgeist — ein Gemisch von Methanol (Methylalkohol), Aceton und Methylacetat —- abdestilliert und getrennt weiterverarbeitet.
Aus dem verbleibenden Holzessig wird durch geeignete Lösungsmittel (z. B. Essigäther) die Essigsäure ausgezogen, das Lösungsmittel abdestilliert (und damit zurückgewonnen) und so die reine Essigsäure (Eisessig) gewonnen, die teils unmittelbar dem Verbraucher zugeführt wird, teils anderweitig chemisch verarbeitet wird, hier wäre besonders die Gewinnung der Acetylcellulose zu nennen (Ausgangsstoff für Kunstseide, Lacke, Filme, plastische Massen, Klebemittel), ferner die Gewinnung des Kaseins (Ausgangsstoff für Galalith, künstliches Elfenhein), sowie die Unzahl der pharmazeutischen Erzeugnisse, zu deren Herstellung Essigsäure erforderlich ist.
Leitet man den dampfförmigen Holzessig über katalytisch wirkende Stoffe, so erhält man das Aceton, das als Lösungsmittel in großem Umfang verwendet wird. So löst sich unter Druck Acetylen in Aceton in großen Mengen auf, das so in Stahlflaschen bequem versandt werden kann (Dissousgas) und beim Schweißen benutzt wird. Auch beim Herauslösen von Fetten und Vitaminen aus pflanzlichen und tierischen Geweben wird Aceton verwendet. Sein Hauptanwcndungsgebiet ist neuerdings die Entparaffinicrung des Petroleums (Extraktion der Paraffine durch Herauslösen).
Der Rohholzgeist wird durch fraktionierte Destillation aufgespalten in: 1. ein Lösungsmittel, das ans einem Gemisch von Methanol, Aceton und Methylacetat besteht und als Acetonersatz vor allem in der Lackindustrie verwendet wird; 2. Der Denaturierungsholzgeist, der dieselben Stoffe wie das Lösungsmittel, nur in anderen Mengenverhältnissen, enthält und dem technisch gebrauchten Alkohol zugesetzt wird, um ihn für den menschlichen Genuß unbrauchbar zu machen; 3. Methanol, das in Mengen von 60 bis 65% aus dein Rohholzgcist gewonnen wird.
Das Methanol wird zum Teil unmittelbar verwendet als Lösuugs- und Verdünnungsmittel in der Lack- und Parfümerieiudustrie, als Frostschutzmittel für Autokühler, als Zusatz zu Autotreibstoffen und anderem mehr. Der größte Teil wird jedoch weiter verarbeitet auf Formaldehyd, eine Substanz, die wegen ihrer großen Reaktionsfähigkeit ein fast unübersehbares Anwendungsgebiet besitzt. Die angeführten Verwendungsmöglichkeiten geben nur einen kleinen Ausschnitt. Seit 1900 hat sich der Weltbedarf an Formaldehyd nahezu vervierhundertfacht. Ungeheuere Mengen Formaldehyd werden allein für Desinfektionen und Konservierungen aller Art verbraucht, ganz abgesehen von der Verwertung in fast allen Zweigen der technischen Chemie. Die Weltproduktion an Formaldehyd dürfte sich heute auf nahezu 100.000 l im Jahr belaufen.
Der in Mengen von etwa 6% des lufttrockenen Holzes anfallende Holzteer ist gegenüber anderen Stoffen von untergeordneter Bedeutung und seine Verwendung verhältnismäßig beschränkt.
Ein Übcrblick über die Produkte, welche aus Holz auf dem Wege der trockenen Destillation hergestellt werden, zeigt deutlich, welch ungeheuere Bedeutung der Holzchemie im Rahmen des Vierjahresplans zukommt. Ein an sich geringwertiger, aber in großen Mengen im Inland vorhandener Rohstoff wird restlos und ohne Abfall in wertvolle lebensnotwendige und exportfähige Stoffe überführt – ein schönes Beispiel für sparsame wirtschaftliche Ausnutzung und Wersteigerung durch Arbeit.
M. Klar ist Autor des Standardwerks Technologie der Holzverkohlung und der Fabrikation von Essigsaure, Aceton, Methylalkohol und sonstiger Holzdestillate, dessen erste Auflage 1903 erschien.
Klar war damals Ingenieur und Chemiker bei der Firma F. H. Meyer in Hannover-Hainholz und Vorstand der Abteilung fur Einrichtung von Fabrikanlagen der chemischen Industrie.
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