Übersicht über die Entwicklung des Werkes Brilon-Wald, verfaßt und vorgetragen von Theodor Brocksiepe anläßlich der Feierstunde zum 75jährigen Bestehen der Firma DEGUSSA am 30.01.1949.
Als Anhang 2 zur Zur Geschichte der Holz- und Aktivkohlefabrik in Brilon-Wald (1880 – 1995)
Die Chronik erzählt darüber etwa Folgendes: Bis zum Jahre 1872 ist der jetzige Ort BrilonWald nicht bekannt; Eisenbahnen verkehren noch nicht. Dichte, ausgedehnte Wälder, so weit das Auge schaut. Im amtlichen Schriftverkehr sprach man von einer Stelle bei der Lohmühle, bei der „Alten Hütte“ oder „Auf der Hoppecke“. Die Lohmühle befand sich etwas nördlich der heutigen Fahle’schen Schwemmsteinfabrik. Die „Alte Hütte“ etwa zwischen dem heutigen Brilon-Wald und dem Ort Pulvermühle, bei der sogenannten „Krake“. Schon im Jahre 1562 soll Holz aus dem Aspe zum Verhütten von Eisenerz, welches aus der Gegend bei Rösenbeck und Beringhausen im Kreise Brilon herangeholt wurde, zur sogenannten „Alten Hütte“ gefahren worden sein. Nachweislich hat hier 1768 ein Hochofen gestanden; Holländer sollen damals Inhaber des Betriebes gewesen sein. In den 70er Jahren wurde der Betrieb stillgelegt. Der Besitzer der Lohmühle, in der Lohe gestampft wurde, war ein Herr Löhr. Bei der Lohmühle befand sich auch ein Sägewerk. Heute sind nur noch die Spuren zu sehen, wo sich diese Lohmühle einst befand.
Die Eisenbahn Bestwig – Warburg wurde anfangs der 70er Jahre gebaut. Der Personenverkehr auf dieser Strecke wurde am 10. 02. 1873 eröffnet. Der heutige Bahnhof Brilon-Wald führte damals den etwas merkwürdigen Namen Bahnhof Brilon – Korbach; später erhielt er dann den Namen Bahnhof Brilon und erst nach Eröffnung der Eisenbahn Brilon-Wald – Paderborn im Jahre 1900/1901, den heutigen Namen „Brilon Wald“.
Soweit die örtlichen Verhältnisse vor Gründung des Werkes.
Die Holzkohle war auch damals schon ein wichtiger Industriefaktor.
Die Hüstener Gewerkschaft in Hüsten betrieb ein Walzwerk in Bruchhausen bei Arnsberg und in Hüsten. Die Teilhaber der Gewerkschaft waren die Herren Cosack, Möllmann und Rissing. Um den Eigenbedarf an Holzkohle sicherzustellen, gründete die Gesellschaft zunächst die Chemische Fabrik in Bruchhausen. Anfang des Jahres 1880 führte dann Herr Cosack, Soest, Verhandlungen mit der Stadt Brilon (Bürgermeister Schömberg) zwecks Überlassung eines Baugeländes zur Errichtung einer Retortenköhlerei am Bahnhof Brilon (heute Brilon Wald).
Die Verhandlungen führten schon nach kurzer Zeit zum Abschluß, obwohl gleichzeitig auch ein Antrag der Firma C. A. Herberts – Chem. Fabrik in Barmen – bei der Stadt Brilon vorlag um Überlassung eines Baugeländes am Bahnhof Brilon zwecks Errichtung einer Holzessigfabrik.
Die Stadt Brilon verpflichtete sich auf die Dauer von 15 Jahren (01. 01. 1880 bis 01. 01. 1895), jährlich mindestens 6000 rm Holz zu liefern zum Preise von RM 2.80 je rm Buchenscheit und -knüppel und RM 1.– je rm BuchenReiserknüppel. Die Stadt verpflichtete sich ferner, die Abfuhrwege in einem ordnungsmäßigen Zustand zu erhalten. Auf der anderen Seite verpflichtete sich Herr Cosack, jeden Mehranfall an Holz zu übernehmen, soweit das Holz in der Nähe des Werkes zum Einschlag gelangte.
Mit dem Bau des Werkes wurde 1880 begonnen. Das Werk führte den Namen „Chemische Fabrik der Hüstener Gewerkschaft in Hüsten“. Bereits im August 1880 konnten 4 Öfen mit 8 Retorten in Betrieb genommen werden. Weitere Öfen wurden gebaut, und zwar zunächst 18 Öfen mit 36 Retorten. Jede Retorte faßte etwa 1 fm Holz. Diese Retorten befanden sich dort, wo heute der Glaserbau steht, den älteren Mitarbeitern bekannt unter dem Namen „Alte Verkohlung“. Im Jahre 1880 wurde ferner noch eine Dampfkesselanlage errichtet, sowie ein Destillationsgebäude. In den Jahren 1880/81 wurden die ersten Wohnhäuser gebaut. Der errichtete Dampfkessel wurde 1886 durch einen neuen ersetzt.
Die Anfangsproduktion bestand aus Holzkohle, Holzgeist, essigsaurem Kalk und Holzteer. Der essigsaure Kalk wurde damals noch auf einem sogen. Röstbett vorgetrocknet und von dort mittels Kiepen auf die Retorten getragen, wo die endgültige Trocknung erfolgte. Später erst (im Jahre 1910/11) wurde ein Huillardapparat für die Trocknung errichtet.
Im Jahre 1891 wurde der Obergraben angelegt. Mit der Wasserkraft wurde eine Dynamomaschine betrieben.
Auch war daran gedacht, ein Holzsägewerk zu errichten; dieses Projekt kam jedoch nicht zur Ausführung. Das Gelände für den Obergraben wurde zunächst von der Stadt Brilon gegen eine jährliche Gebühr von RM 25.- verpachtet. 1891 erhielt das Werk Eisenbahnanschluß, und zwar zunächst eine Schmalspurbahn, 1895 Normalspur. Bis dahin mußten die ein- und ausgehenden Güter durch Pferdefuhrwerke zum Bahnhof transportiert werden.
Im Jahre 1893 wurden Glühofenbau und Trockenkanäle erbaut und die Fabrikation von Holzkohlenbriketts aufgenommen.
Im Jahre 1895 wurde zwecks Transportes des Holzes von dem Holzplatz, der sich oberhalb des früheren Wohnhauses von Johann Gruß befand, eine Schmalspurbahn angelegt.
In den Jahren 1895/1901 wurde die Eisenbahn Brilon-Wald – Paderborn erbaut. Am 29. 06.1900 wurde die Strecke Brilon-Wald – Brilon-Stadt in Betrieb genommen. Bis dahin mußten die ca. 120 Arbeiter, die größtenteils in Brilon-Stadt wohnhaft waren, den Weg (8 km) zu Fuß zurücklegen. Dabei waren die damaligen Winter weitaus strenger als heute.
1901 Errichtung eines Wohnhauses mit Lager und Abpackräumen für Holzkohlenbriketts.
Wohnhaus und Lagerräume wurden an die Firma Max Elb bzw. an die Deutsche GlühstoffGesellschaft in Dresden verpachtet, die den Vertrieb der Briketts auf eigene Rechnung durchführte. 1937 sind die Gebäude wieder in eigene Benutzung genommen. Das Abpacken der Holzkohlenbriketts wird vom Werk selbst besorgt.
Im Jahre 1902 wurde von dem Fabrikgelände oberhalb des 1881 erbauten Wohnhauses (heute von Herrn Clotten und Kliemt bewohnt) ein Bauplatz an die Stadt Brilon abgetreten, zwecks Bau einer Volksschule. Die Stadt Brilon trat dafür das Gelände, auf dem sich der Obergraben befindet, das bis dahin gegen eine jährliche Gebühr von RM 25.- an das Werk verpachtet war, ab. Das Werk mußte außerdem eine einmalige Entschädigung von RM 1 000.- an die Stadt zahlen. Im Jahre 1920 ging das Gelände nebst Schule wieder an das Werk zurück. Das Werk erwarb zur gleichen Zeit außerdem zwei Morgen am Lehmständer für RM 300 000.- (Inflation), auf dem ein Doppelwohnhaus errichtet wurde. Das Werk zahlte ferner RM 20 000. -zum Bau der katholischen Kirche in Brilon-Wald.
1908 verkaufte die Hüstener Gewerkschaft die beiden Chemischen Fabriken Bruchhausen und Brilon-Wald an die Holzverkohlungs-Industrie AG. in Konstanz.
Die Werke führten fortan den Namen: Chemische Fabrik Bruchhausen GmbH. Bruchhausen.
Im Jahre 1910 wurde die Verkohlungsanlage wesentlich erweitert. Es wurden nochmals 16 Öfen mit 32 Retorten gebaut, denen im Jahre 1911/12 weitere 6 Öfen mit 12 Retorten folgten, so daß die gesamte Verkohlungsanlage über 80 Retorten verfügte.
Mit dieser Anlage wurden in der Zeit vom 01. 04. 1913 bis 31. 03. 1914 28 000 fm Holz verkohlt und stieg später bis auf 40 000 fm.
Die in den Jahren 1910/12 gebaute Verkohlungsanlage befand sich da, wo heute die Reichertschen Großraumretorten sich befinden, bekannt unter dem Namen „Neue Verkohlung“.
1910 Bau des neuen Bürogebäudes mit Wohnung für den Buchhalter.
Bis dahin befand sich das Büro da, wo die Neue Verkohlung errichtet wurde. Bei diesem Bürogebäude befand sich anfangs auch die Schlosserei, die später in die Nähe des Dampfkessels verlegt und dann endgültig in das 1904 erbaute Gebäude übersiedelte.
1912 erhielt das Bürogebäude einen Erweiterungsbau mit Wohnungen und Arbeiteraufenthaltsräumen (früheres „Wohlfahrtsgebäude“).
1912 erwarb das Werk von Herrn Johann Gruß 10 Morgen Gelände mit Gebäude für RM 54 000- (heutige Wohnung Flitsche, Leuthner usw.). Gruß bleibt aber noch bis 1914 wohnen und übersiedelt dann in das neu von ihm erbaute Haus in der Nähe der heutigen Heilstätte.
1913 Bau der Eisenbahn Brilon-Wald – Kor- bach. 1. November 1914 Eröffnung der Teilstrecke Brilon-Wald – Wiltingen.
Durch die Eröffnung dieser Strecke nimmt auch die Zahl der aus Waldeck Beschäftigten zu. Durch die mächtige Erweiterung der Holzverkohlungsanlage war auch eine ständige Erweiterung der sonstigen Produktionsanlagen bedingt. Besonders der Holzkohlenbrikett-Betrieb erfuhr eine wesentliche Erweiterung. Während des Weltkrieges 1914/18 wurden auch sogenannte Taschenwärmerbriketts hergestellt. Diese Briketts hatten etwa die Größe eines Mittelfingers. Als Behälter dienten kleine Röhrchen von dichtem Drahtgewebe, mit Stoff überspannt. Der Vertrieb der Briketts erfolgte durch die Firma Stahmer in Osnabrück. Die Fabrikation war jedoch nur kriegsbedingt.
Ferner wurde im Weltkrieg 1914/18 eine provisorische Anlage zur Gewinnung von Gerbstoff errichtet.
Juni 1915 wurde folgende Produktion ausgewiesen:
Verkohlt: 35 710fm
- Erzeugung:
- Holzkohle 6 745 t
- Holzgeist 472 t
- Holzteer 1 606 t
- Holzkalk 80% 1 734 t
- Holzkohlenbriketts 1318 t.
Den Weltkrieg 1914/18 überstand das Werk ohne jeden Schaden. Die Produktion lief nach dem Krieg gleich weiter. Im April 1919 erfolgte die Übernahme des Werkes durch die Holzverkohlungs-Industrie AG. in Konstanz. Das Werk führte fortan den Namen HolzverkohlungsIndustrie AG. Zweigniederlassung Brilon-Wald. 1922 wurde das jetzige Bürogebäude errichtet, 1923/24 ein Doppelwohnhaus am Lehmständer. Im Jahre 1931 erfolgte die Fusion der Holzverkohlungs-Industrie Konstanz mit dem Verein für chemische Industrie in FrankfurtMain. Das Werk führte fortan den Namen HIAG-Verein-Holzverkohlungs-Industrie G.m.b.H. Konstanz, Werk Brilon – Wald.
Im Dezember 1939 erfolgte die Übernahme durch die Deutsche Gold- und SilberScheideanstalt, vormals Roessler, FrankfurtMain. Seit dieser Zeit führt das Werk die Firmenbezeichnung:
- Deutsche Gold- und Silber-Scheideanstalt vormals Roessler, Hiag-Werk Brilon-Wald.
Die Jahre 1930 – 1932 waren für das Werk schwere Jahre. Der allgemeine, schlechte Geschäftsgang, besonders der mangelnde Absatz an Holzkohle, zwang zu mehrfachen Betriebsstillegungen. Vom 10.7.1930 bis 7.4.1931 stand die Verkohlung ca. 9 Monate still. Im Dezember 1931 wurde der Betrieb erneut stillgelegt, 60 Mann wurden in Nebenbetrieben weiter beschäftigt.
Seitens des Vorstandes wurde ernstlich erwogen, das Werk ganz stillzulegen. Die ausreichende Holzversorgung für die Werke Brilon, Bruchhausen, Oeventrop, Züschen bereitete große Schwierigkeiten.
Der Initiative der damaligen Werksleitung und weil die Stadt Brilon sich bereit erklärte, mehrere Jahre große Holzmengen (ca. 10 000 rm) zur Verfügung zu stellen, ist es zu verdanken, daß eine dauernde Stillegung vermieden wurde.
In diese Zeit fällt auch die Einführung des Holzkohlenherdes, der vpn Herrn Theophil Reichert konstruiert wurde, Im Juni 1931 konnte der Firma Küppersbusch eine Bestellung über 100 Holzkohlenherde erteilt werden. Der Herd besitzt einen heb- und senkbaren Rost. Bei später ansteigendem Holzkohleabsatz für andere Zwecke führte sich der Herd nicht wie erwartet
ein.
Am 13. 07.1932 machte Herr Theophil Reichert einen Vorschlag über ein neues Verkohlungsverfahren mit Umwälzgasheizung. Ein am 09. 08. 1932 durchgeführter Versuch in einer schräg aufgestellten, 3.60 m langen Retorte mit 1.80 m Durchmesser führte zu einem vielversprechenden Ergebnis, so daß eingehende weitere Versuche in der ca. 3 fm fassenden Retorte durchgeführt wurden.
Ende Dezember 1932 wurde die 40 fm diskontinuierliche Retorte mit Innenbeheizung projektiert und bestellt. Bereits Anfang Mai 1933 konnte mit den Versuchen in der 40 fm-Retorte begonnen werden. Mitte November 1933 wurde der Ausbau von zwei Retorten beschlossen. Am 30. 07. 1934 wurde der Betrieb mit zwei 40 fm Retorten aufgenommen. Im März 1933 wurden 4 weitere Retorten in Auftrag gegeben und im November 1935 die volle Anlage mit sechs sogen. Reichert-Retorten betrieben. In dieser Anlage wurden bis zu 5 000 fm im Monat (bei lufttrockenem Holz) durchgesetzt.
Durch die vielen Versuche, ferner durch die Herstellung von hochkohlenstoffhaltiger Kohle für die Schwefelkohlenstoffindustrie und für die Pulverfabriken während des Krieges ist die Anlage zurzeit stark in Mitleidenschaft gezogen.
Grießbetrieb
Durch die Steigerung des Holzkohlengrieß~Absatzes und Bedarf für den Aktivkohlebetrieb wurde am 10. 07. 1931 die erste Plansichteranlage nach vorherigen Versuchen bei der Firma MIAG, Braunschweig, in Betrieb genommen. Zur Unterbringung der Grießanlage wurde die Holzkohlenhalle in nördlicher Richtung erweitert unter Zukauf des erforderlichen Geländes von der Reichsbahn. Aktivkohleanlaqen
Da der Verein für Chemische Industrie in Rati- bor einen Aktivkohlebetrieb besaß und damit ein gewisser Holzkohlenumsatz gewährleistet war, suchte auch die HIAG nach einem solchen Absatzgebiet.
Am 23. 07. 1928 wurde ein kleiner 4- kammeriger Schachtofen (Didier-Ofen) in Betrieb genommen. Am 20. 11. 1929 wurde ein rotierender Begerowofen in Zusammenarbeit mit den Herren Begerow in Betrieb gesetzt und dann auf 3 Öfen erweitert. Der Didier-Ofen, der unwirtschaftlicher arbeitete bei schlechterer Aktivkohlequalität, wurde am 24. 02. 1932 stillgelegt.
Am 27. 04. 1934 wurde der Jüterboger Drehofen D im jetzigen sogen, Glaserbau in Betrieb genommen, wodurch die Aktivkohleproduktion wesentlich gesteigert wurde.
Durch einen Großbrand wurde am Südende des Werkes ein großer Aktivkohle-Lagerschuppen aus Holz vernichtet. Hierfür wurde 1939 ein massiver Lagerschuppen an derselben Stelle errichtet.
Am 04. 10. 1940 wurde der zweite große Drehofen in Betrieb genommen, Anfang Juni 1943 ein dritter Drehofen.
Während des Krieges stieg die Nachfrage nach Medizinalkohle. Anfang Juni 1941 wurden Granulatpressen, Trocknungs- und Abpackbetrieb in einem Wellblechlagerschuppen über der Hoppecke eingerichtet.
Energie
Am 21. 08. 1929 wurde die neue Trafo-Station und am 22. 08. 1929 die 100 PS Zweizylindergasmaschine in Betrieb genommen. Im Jahre 1946 wurde eine zweite Einzylindergasmaschine vom Werk Züschen übernommen und in Betrieb gesetzt.
Veresterung – Extraktionsanlaqe
Am 25. 06. 1926 wurde mit der Erhöhung und Erweiterung eines bestehenden Gebäudes (jetzige Ex-Anlage) begonnen. Am 6. März 1927 war die Veresterung betriebsfertig. Wegen Abwasserschwierigkeiten wurde die Anlage nach wenigen Monaten wieder stillgelegt und ausgeschlachtet.
Im gleichen Gebäude wurde dann die Essigsäure-Extraktion errichtet, die am 17. 10. 1938 in Betrieb genommen wurde.
Auch im Brikettbetrieb wurden wesentliche Betriebserweiterungen und -Verbesserungen durchgeführt, wodurch eine bedeutende Erhöhung der Produktion bis zu 400 moto erzielt wurde. Es ist jedoch nicht möglich, in diesem Rahmen auf Einzelheiten einzugehen. Siedlunoswesen
Am 02. 09. 1937 wurde das Doppelforsthaus Schellhorn nebst 16 Morgen Siedlungsgelände von der Stadt Brilon erworben. Während der Kriegsjahre 1939/1945 konnten unter schwersten Bedingungen zwei Wohnhäuser fertiggestellt werden.
Die Zerstörung der Edertalsperre durch feindliche Flieger in der Nacht vom 16. zum 17. Mai 1943 zog die Holzabfuhr aus dem großen Revier Affoldern stark in Mitleidenschaft.
Im Februar 1944 wurde das Versuchslaboratorium Dr. Uthe von Frankfurt-Main nach hier verlegt. Im März 1943 übersiedelte Herr Dickert
mit dem Zentralarchiv ebenfalls nach hier und im November 1944 die HolzkohlenVerkaufsstelle.
Leider gingen auch die Kriegsgeschehen nicht spurlos an dem Werk vorüber. Am 28. März 1945 fielen zwei leichtere Fliegerbomben auf das Bürogebäude, das stark beschädigt wurde. Am 29. März 1945 erfolgte der Einmarsch der Amerikaner. Durch Artilleriebeschuß erhielt das Werk 18 Treffer, die z.T. Gebäude- und Sachschaden verursachten.
Die Kriegsschäden belaufen sich auf RM 55 817.10,
die Besatzungsschäden auf RM 77 792.40.
Ende Mai 1945 wurde uns zunächst von der Militärregierung die Genehmigung erteilt, die Produktion von Holzkohle und Medizinalkohle wieder aufzunehmen. Da uns nicht genügend Steinkohle zur Verfügung stand, wurde zunächst eine Retorte – später drei Retorten – auf direkte innere Beheizung durch Einsaugen von Luft umgestellt. Auf diese Weise war es möglich, nach der Besetzung das Werk Brilon-Wald als erste Verkohlung wieder in Betrieb zu nehmen und im Juni 1945 = 466 fm zu verkohlen. In den nächsten Monaten stieg die Produktion auf 1 200 bis 1 400 fm.
Heute noch hat das Werk mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die Versorgung mit Steinkohle und Strom ist unzureichend. Die Holzbestände reichen nur für einen Zeitraum von etwa 10 Monaten, gegenüber 24 Monaten in normaler Zeit. Die knappe Holzbevorratung zwingt uns, frisches, wenig abgelagertes Holz verarbeiten zu müssen, was einen höheren Brennmaterialbedarf erfordert und somit unwirtschaftlich ist.
In der Zeit vom 01. 10. 1945 bis 30. 09. 1947 mußten 6 112 fm Holz als gestohlen abgebucht werden, mit einem Anschaffungswert von RM 110 000.-. Die Holzbezüge vor den Toren des Werkes sind fast vollkommen weggefallen; 60 – 70 % unseres Holzbedarfes beziehen wir aus der US-Zone.
Der derzeitige durchschnittliche monatliche Durchsatz liegt bei etwa 1 700 fm, also weit unter der Kapazität von 1914, wenngleich auch andere Betriebe hinzugekommen sind, besonders die Erzeugung von Aktivkohle.
- Zur Zeit werden folgende Hauptprodukte hergestellt:
1. ) Rohholzgeist Versand an Konzemwerke zur Gewinnung von Methylalkohol, zur Weiterverarbeitung auf Formalin und Kunststoffe, ferner zur Gewinnung von Lösungsmitteln, die vorwiegend in der Farbenindustrie Verwendung finden.
2. ) Rohessigsäure Zum Versand an Konzemwerke zur Herstellung von Speiseessig.
3. ) Holzteer Verwendung im eigenen Betrieb zur Herstellung von Holzkohlenbri
ketts und Aktivkohle.
Zur Gewinnung von Kreosot und Guajakol, die in der Arzneimittelindustrie Verwendung finden.
4.) Teeröl
5.) Holzkohle
6. ) Holzkohlenqrieß
7. ) Holzkohlenbriketts
8. ) Medizinalkohle
9. ) Entfärbunqskohle
10.) Elementekohle 11 .)Wasserreiniqunqkohle
12. )Geformte Industriekohle
13. ) Melakol
Teils zur Weiterverarbeitung im eigenen Betrieb zur Herstellung von Holzkohlengrieß, Holzkohlenbriketts und Aktivkohle. Neben der Verwendung als Industriekohle findet die Holzkohle heute besonders Verwendung als Feuerbettkohle für die Generatorfahrzeuge und als Fahrkohle für Pkw. Außerdem wird die Holzkohle dringend benötigt für die Gewinnung von Schwefelkohlenstoff.
- Verwendung als Härtemittel in der Metallindustrie; ferner Verwendung in der Landwirtschaft, für Schweinemast und Geflügelaufzucht. Verwendung beim Transport von frostempfindlichen Gütern (Lebensmittel). Große Lieferungen an die Reichsbahn.
- Lieferungen an Apotheken und Drogerien. Sie dient zur Vermeidung von Darmkrankheiten und Ausbreitung von Seuchen.
- Zum Entfärben von Zucker, Seife und Glyzerin. Verwendung in allen Zweigen der Lebensmittelindustrie. Gebrauch bei der Wiederverwendung von stockigem Getreide oder Mehl.
- Großes Anwendungsfeld in der chemischen Industrie, bei der Erzeugung der künstlichen Spinnfaser; ebenfalls für die Erzeugung von pharmazeutischen und chemischen Artikeln.
- Herstellung von elektrischen Taschenlampenbatterien, Luftsauerstoffbatterien usw.
- Für Trinkwassererzeugung, hauptsächlich in den großen Städten angewandt. Zur Seuchenverhütung in gekörnter Form oder auch feiner gemahlen. Reinigung des Wassers zum Eisen (Gefrieren) von Fischen und Fleisch.
- Verwendung bei der Rückgewinnung von Lösungsmitteln oder Gewinnung von Benzin oder Benzol.
- Zur Kautschukregenerierung; heute vielfach verwandt als Ersatzheizöl.
Die Zahl der Beschäftigten beträgt zurzeit 271 Arbeiter und Angestellte aus 26 Gemeinden. Davon aus Brilon 162, aus Waldeck 59. Unter den Beschäftigten befinden sich 81 Ostflüchtlinge.
Von den Beschäftigten haben 33 eine Betriebszugehörigkeit über 25 Jahre, 2 eine Betriebszugehörigkeit über 40 Jahre. 15 Schwerbeschädigte sind hier beschäftigt. Die Gesamtgröße des Werkgeländes beträgt etwa 80 Morgen; davon sind etwa 8 Morgen bebaut.
16 Wohnhäuser sind vorhanden. Der Bau weiterer 14 Wohnhäuser ist geplant und in Vorbereitung.
Die Leitung des Werkes hatte von 1880 bis 1895 Herr Blanck, von 1895 bis 1910 Herr Rudolf Mayweg, von 1910 bis 1932 Herr Gottlieb Jenrich.
Vom 14. 12. 1932 bis Juli 1945 Herr Theophil Reichert, dessen Nachfolger wurde vertretungsweise Herr Dr. Hanns Schnprie bis zum 01. 09. 1946. Von diesem Tage an übernahm Herr Dr. Hermann Deneke die Leitung des Werkes.
Die Geschichte des Werkes wäre unvollkommen, wollte ich nicht eines Mannes gedenken, der sich um die Entstehung und Weiterentwicklung des Werkes Brilon-Wald, sowie um die Holzverkohlungsindustrie überhaupt, große Verdienste erworben hat — Georg Krell
Er wurde am 21. 01. 1846 als jüngster Sohn des Bergrats G. Krell in Saalfeld an der Saale geboren. Krell begann zunächst seine Laufbahn als Apothekerlehriing, bestand das, Gehilfenexamen an der Schloßapotheke in Berlin und benutzte die folgenden Gehilfenjahre, um sich die Welt anzusehen. Später bezog er die Universität Berlin, um dort unter A. W. von Hoffmann Chemie zu studieren. Als Privatassistent von Hoffmann unterstützte er diesen bei seinen ersten Versuchen über Methylierung von Anilin. Zur weiteren Ausarbeitung dieser Versuche wurde Krell an die Anilinfabrik in Rummelsburg berufen, von wo er schon nach kurzer Zeit als Leiter der Holzverkohlungen der Harzer Werke in Rübeland und Zorge nach Rübeland übersiedelte. Dieser Branche der chemischen Industrie ist er bis zu seinem Tode treu geblieben und bis zuletzt hat er in ihr als einer der ersten und maßgebendsten gegolten. Etwa im Jähre 1876 wurde er von der Hüstener Gewerkschaft nach Westfalen berufen, da diese Gesellschaft die für das Eisenwerk benötigte Holzkohle sich selbst herstellen wollte. Krell erbaute zuerst in nächster Nähe der Gewerkschaft in Bruchhausen eine Holzverkohlung, der bald darauf im Jahre 1880 eine zweite in Brilon-Wald folgte. Das Gedeihen der genannten Fabriken ist in erster Linie seiner nie rastenden Tatkraft und seinem unentwegten Vorwärtsstreben zu verdanken. Als die Fabriken 1908 in andere Hände übergingen, blieb Krell an der Spitze des von ihm geschaffenen Unternehmens.
Im Jahre 1895 gründete er die Firma Krell & Co. in Grodzisk, aus der später durch Angliederung anderer Fabriken die Aktiengesellschaft „Vereinigte Chemische Fabriken S.T. Morassow, Krell, Ottmann“ hervorging. Krell war auch auf dem Gebiet der anorganischen Großindustrie erfolgreich tätig. Das nach ihm genannte Verfahren zur Konzentration von Schwefelsäure in Gußeisenrohren, sowie eine dabei zur Anwendung gelangende Bleilegierung, kurzweg „Krellblei“ genannt, hat seinen Namen in den Kreisen der Säureindustrie allgemein bekannt gemacht.. Speziell war es aber die Holzverkohlungs-Industrie, für die sich Krell in hervorragendem Maße einsetzte, besonders in den Jahren, als die deutsche Industrie gegen die zweifelhaften Gründungen der Trebertrocknungs-AG. kämpfte. Hier stand er mit in den vordersten Reihen der Streiter und sein unentwegtes Eintreten für die bedrohten Holzverkohlungen hat ihm die hervorragende Stellung gesichert, die er in dieser Branche einnahm.
Einige Wenige unter uns haben Krell gekannt. Als um das Jahr 1896 die Hüstener Gewerkschaft ihr 50jähriges Bestehen feierte, zogen auch von der jungen Briloner Fabrik die Beschäftigten mit Frauen und Kindern nach Bruchhausen zu dieser Feier. Gern erzählen die „Alten“ noch davon und davon, wie Krell sich seiner lieben Briloner – wie er sie nannte – besonders annahm.
Längst ist Krell nun von uns gegangen, aber das von ihm begonnene Werk lebt! —
Ich möchte aber meine Ausführungen nicht schließen, ohne auch all derjenigen zu gedenken, die heute nicht mehr aktiv in unseren Reihen stehen. Ob Werksleiter, Angestellte oder Arbeitsmann, sie alle haben zu ihrer Zeit Großes geleistet und haben durch ihre Arbeit die Voraussetzungen geschaffen, daß heute das Werk zu dieser Größe angestiegen ist und heute noch, wenn auch unter erschwerenden Bedingungen, arbeitet.
Es liegt an uns zu beweisen, daß wir keine unwürdigen Erben sind. Das Wohl des Werkes soll uns Richtschnur, die Arbeit unserer Vorgänger Mahnung und Verpflichtung sein!