Es dauert nicht länger als ein Fußballspiel ohne Halbzeitpause und Verlängerung. In 90 Minuten ist alles vorbei. Aus feuchter Biomasse, wie Grasschnitt, Obsttrester oder Biertreber wird ein schwarzer Schlamm, aus dem sich feine Kohlepartikel absetzen. Die Natur braucht dazu einige Tausend bis Millionen Jahre und das Ergebnis kennen wir als Braun- und Steinkohleflöze.
Als technisches Verfahren heißt es „hydrothermale Carbonisierung“ (HTC) und das Prinzip ist nicht ganz neu. Friedrich Bergius (1884 – 1949), der 1931 den Nobelpreis für Chemie erhielt, hat in Hannover das Verhalten von Torf bei hohen Drücken (200 bar) und hohen Temperaturen untersucht. Er stellte fest, daß er in wenigen Minuten eine steinkohleähnliche Substanz erhielt. Und das funktionierte auch mit Cellulose, Lignin und Holz.
Eine alte Idee lebt durch moderne Technik wieder auf
In Teltow, das im südlichen Speckgürtel von Berlin liegt, wird die hydrothermale Carbonisierung von der Firma CarbonSolutions Deutschland GmbH“ in einer modernen Anlage durchgeführt.
„Auch andere Firmen haben schon in einer Garage angefangen“ meinte der Geschäftsführer Volker Zwing bei der Besichtigung der Anlage, die gut versteckt in einem alten Industriegebiet untergekommen ist. Das Herzstück ist ein unscheinbares Rohr, in dem die Kohlesuspension bei etwa 20 bar und etwa 200 °C von erzeugt wird. Hier ist das spezifische Know-How des Unternehmens konzentriert, das exklusiv in Zusammenarbeit mit Prof. Markus Antonietti vom Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung, entwickelt wird.
Prof. Antonietti, dessen Abteilung für Kolloidchemie quasi um die Ecke im Wissenschaftspark von Potsdam-Golm zu finden ist, gilt in Deutschland als derjenige, der nach neun Jahrzehnten die hydrothermale Carboniserung wiederbelebt hat. In seinen Vorträgen weist der darauf hin, daß man aus der Sicht des Chemikers nicht mehr 6,7 % der globalen Biomasse benötigen würde um die fossilen Brennstoffe komplett zu ersetzen. Den Markt für Biokohle schätzt er auf 200 Milliarden € pro Jahr. Er spricht von Anwendungen als Betonzuschlagsstoff oder als Sorptionskohle, die mit 1.000 bis 2.000 €/t um Größenordnungen über dem liegen, was derzeit für Brennstoff bezahlt wird.
CarbonSolutions sieht sich gerüstet, die erforderlichen Mengen für praktische Versuche aus unterschiedlichen Biomassen herzustellen. Die Erfahrungen werden im EU-Projekt Eurochar mit Partnern aus Frankreich, Großbritannien und Italien ausgetauscht, wo CarbonsSolutions für den Betrieb der industriellen Produktionsanlage und die Bereitstellung von Kohlen aus unterschiedlichen Ausgangsmaterialien zuständig ist. Andere Partner untersuchen diese Produkte, bewerten ihre Stabilität und führen Feldversuche zum Verhalten im Boden durch. Letztlich geht es darum, ob mit HTC-Kohle die Sequestrierung von Kohlendioxid möglich ist.
Vorne am Tor der Halle steht der Trichter, in den die Bioabfälle mit dem Radlader eingefüllt werden. Es wird ein pumpfähiger Schlamm angerührt, der dann durch den HTC-Reaktor gepumpt wird. Das Ergebnis ist eine tiefschwarze Suspension von Kohle und Wasser. Sie wird in Tanks abgefüllt und zum Sammeln von Erfahrungen mit der Entwässerung verwendet. Mit Filterpressen läßt sich die Kohle vom Wasser trennen und wird je nach Verwendungszweck als Platten, Pellets oder Kohlestaub ausgeliefert.
„Wir sind als Entsorgungsanlage zugelassen“ erklärt Volker Zwing „und werden entsprechend dem Genehmigungsbescheid zweimal jährlich von unabhängigen Gutachtern kontrolliert“ Die Anlage wurde auch vom TÜV abgenommen und wegen des Druckbereichs und der Temperatur greift auch die Dampfkesselverordnung. Das ist nicht so schlimm, wie es klingt. Jedes Jahr gibt es eine „äußere Prüfung“ und alle drei Jahre ist eine „innere Prüfung“ fällig. Zur Zeit werden Erfahrungen mit verschiedenen Biomassen gesammelt, die auch von Interessenten geliefert werden, die ihr Entsorgungsproblem eleganter lösen wollen. Denn als Alternative zum energieintensiven Entwässern und Trocknen von feuchten Biomassen werden der hydrothermalen Carbonisierung große Chancen eingeräumt.
„Im Preis können wir bei Brennstoffen nicht bei so etwas wie Braunkohlestaub mithalten, der von den Großkraftwerken eingesetzt wird“ erläutert Volker Zwing die Strategie von CarbonSolutions. Kohlekraftwerke würden zwar gerne Biomasse einsetzen um ihren CO2-Ausstoß zu verringern, seien aber nicht bereit dafür einen kostendeckenden Preis zu bezahlen. „Wir haben solche Anwendungsbereiche in der Industrie im Auge, wo heute noch hochwertige Holzkohle eingesetzt wird, etwa in Metallbereich.“ Aber auch Holzkohle zum Grillen kostet den Endverbraucher 1000 € pro Tonne. Vorstellbar seien Kohlepresslinge für den Grill, die aus speziellen feuchten Biomassen gewonnen werden, denen nicht das Stigma von Abfall und einer möglichen Kontamination anhaftet. Eine umweltfreundliche Alternative, für die kein Baum sterben muß und die im eigenen Land produziert wird.
Über die Eignung von Biokohle aus hydrothermaler Carbonisierung als Bodenverbesserungsmittel gibt es noch keine einheitliche Meinung. Im Projekt BIOBRA wird deshalb mit der der „Hochschule für nachhaltige Entwicklung“ (HNE) in Eberswalde, die aus der ehemaligen Forstakademie hervorging, die Wirkung von HTC-Kohle als Bodenzusatzstoff zur Etablierung schnellwachsender Baumarten im Kurzumtrieb untersucht. Da Kohlenstoff im Boden langfristig festgelegt wird, spricht man von einem CO2-negativen Verfahren, das eine Alternative zum Carbon Capture and Storage (CCS) eröffnet.
Biofälle vor der Tür: Berlin
Mit dem Standort in Teltow hat CarbonSolutions das Potential der Hauptstadt Berlin direkt vor der Nase. Mitte 2011 ist eine Studie vorgelegt worden, die das Aufkommen an Laub und Grünschnitt abgeschätzt hat und Hinweise für eine gleichermaßen klimafreundliche, wie kostengünstige Lösung geben sollten. Dabei wurde auch das HTC-Verfahren von CarbonSolutions bewertet. Insgesamt fallen in jedem Jahr 13.000 t Laub und 28.000 t Mähgut, zusammen also 41.000 t Biomasse an. Das ist nur ein kleiner Teil des Bioabfall-Aufkommens von 1,2 Millionen t insgesamt. Bisher wurde die Kompostierung in offenen Mieten im Umland als billigste Variante bevorzugt. Die Klimaziele des Landes Berlin machen aber eine „klimaschonende Verwertung“ zur Pflicht und da schneidert die Kompostierung denkbar schlecht ab.
Im Gegensatz dazu scheidet das HTC-Verfahren im Vergleich mit Biogas und Mitverbrennung im Kraftwerk nach Trocknung vergleichsweise gut ab und kann seinen Vorsprung ausbauen, je feuchter das Material ist. Beim Einsatz als Brennstoff ist die Nettogutschrift der CO2-Vermeidung dreimal so groß wie bei der Vergärung. Die Behandlungskosten liegen im Bereich der anderen Verfahren und sind mit 15-20 €/t für Laub und Grünschnitt eher am unteren Ende der Spanne.
Damit hätte CarbonSolutions in Berlin bei der geplanten verfahrensoffenen Ausschreibung die Nase vorn.
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Roland Schnell (*1953) hat in Karlsruhe Chemie studiert und sich im Laufe seines Berufslebens mit Energie aus Biomasse in ihren verschiedenen Formen beschäftigt.
Er hat zu diesen Themen in verschiedenen Fachzeitschriften veröffentlicht.
Mobil +49 / 176 / 53 79 14 51
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