Ende Juli wurde bei telepolis ein längerer Beitrag mit dem umständlichen Titel »Die Pyrolyse – eine Methode zur Herstellung von Diesel und Benzin aus organischen Abfallstoffen« veröffentlicht, der sofort eine rege Diskussion provozierte.
Der Beitrag von Ulrich Sommer, der schon einige Beiträge aus dem Umfeld des Themas (Kraftstoffe) veröffentlicht hat, bringt im Prinzip nichts Neues. Seine Recherche scheint indes nicht sehr intensiv gewesen zu sein, denn er erwähnt mit keinem Wort die Plattform Agrokarbo.info, wo er Antwort auf die meisten seiner Fragen hätte finden können.
Offensichtlich wurde er von einer Veröffentlichung der Firma »Biofabrik Technologies GmbH« in Dresden motiviert, die eine Containeranlage unter dem Namen »WASTX Plastic: Die dezentrale Kompakt-Pyrolyse« zur Serienreife entwickelt haben will. An dieser Anlage wurde 6 Jahre in Zusammenarbeit mit einem Hersteller von Verpackungen entwickelt und sie wurde zwei Jahre getestet.
Die erste Anlage soll nun an diesen Partner, die Firma SchurStar in Flensburg ausgeliefert werden. Die Gründe wurden bei Beginn der Kooperation im September 2016 erläutert.
Natürlich soll mit der Anlage auch der Plastikmüll aus dem Meer verarbeitet werden. Der von einem anderen Partner, der Umweltorganisation »One Earth – One Ocean e.V. (OEOO)« gesammelte Plastikabfall wurde erfolgreich verarbeitet. Es wird darauf hingewiesen:
Das bedeutet, dass Plastikabfall, wenn er eine Weile verschiedenen Umwelteinflüssen ausgesetzt war, nicht nur seine Werkstoffeigenschaften verliert, sondern auch andere Anhaftungen bis hin zu Schwermetallen wie Blei mitbringt. Eine werkstoffliche Verwertung, d.h. beispielsweise durch die Erzeugung von Recyclaten die Kunststoffabfälle direkt zur Herstellung neuer Produkte zu verwenden, ist bei Meeresplastik und auch Abfällen, die bereits einige Zeit auf in der ländlichen Umwelt oder auf Deponien lagerten, deshalb nicht mehr möglich.
Obwohl »Biofabrik Technologies« die Herstellung von Biokohle nicht erwähnt (Aminosäuren und veganen Dünger aus Weidegras durchaus) geht der Beitrag bei telepolis auch auf diesen Aspekt ein und weist auf »Zwei schöne Youtube-Beiträge zu dem Thema: Biokohle – Bleibt die Frage warum erst jetzt? und First Industrial Biochar Unit in Europe)« hin.
Den Beitrag »Klimakiller Kompost« von 2011 bei telepolis hat er anscheinend nicht entdeckt, wo die »Wiederkehr der Pyromanen« konstatiert und ersten tastenden Versuche zur Herstellung von Biokohle und Terra Preta geschildert werden.
Jahrzehntelang wurde die Pyrolyse als Alternative zur Müllverbrennung propagiert. Millionenschwere Projekte sind an dem Versuch gescheitert, Abfälle zu entgasen und die gereinigten Gase mit hohem Wirkungsgrad zur Energiegewinnung zu nutzen. Was oft lästiges Beiprodukt war, der Pyrolysekoks, rückt nun in den Mittelpunkt des Interesses. Nun wird Biokohle durch thermochemische Zersetzung organischer Stoffe unter Sauerstoffabschluss und bei Temperaturen zwischen 350 und 900 °C hergestellt.
So wurde auch die Pyrolyseanlage der Pyreg GmbH ursprünglich für die Entsorgung für feuchte Abfälle, wie Klärschlamm, entwickelt. Das System, das in einem 20 Fuß-Container Platz findet, wird heute in der Schweiz zur Erzeugung von rund 350 t Pflanzenkohle im Jahr eingesetzt. Als Input werden rund 1.000 t landwirtschaftlicher Reststoffe, wie Grünschnitt, Rinde, Holz, Nadeln, Laub, Biotonne, Getreideabfälle, Stroh, Rapspresskuchen, Rübenschnitzel, Traubentrester, Olivenkerne, Nussschalen, Klärschlamm, Gärreste, Rechengut, Kaffeepulver, Kompost, Miscanthus, Silphium, Maissilage usw. usw. benutzt.
Diskussion der Leser
Die Diskussion, die sofort am 28. Juli 2019 einsetzte, zeigt, mit welchen Widerständen die Pyrolyse in Deutschand zu kämpfen hat.
Genüsslich werden die gescheiterten Projekte aufgelistet, obwohl die in der Regel nichts damit zu tun haben. Ein Vielschreiber (1000 Beiträge seit 2013) namens »Cirkular« erinnert sich noch an Karl Kiener, kennt Choren und verweist auf eine Studie des Umweltbundesamt, die keine Vorteile erkennen kann und klassische Müllverbrennung empfiehlt. Frank_Drebbin kommt mit Thermoselct an. Um ein nicht aus der Planungsphase gekommenes Projekt in Homburg entwickelte sich ein eigener Thread mit mehreren Beiträgen.
Die erfolgreichen Projekte scheint niemand zu kennen, was ein schlechtes Zeichen für die Information der Pyrolyse-Szene ist. Inzwischen tun Dutzende, der in dem ursprünglichen Beitrag erwähnten Anlagen von Pyreg klaglos ihren Dienst (Referenzen) und das ist nur einer der Hersteller.
Natürlich darf auch die Grundsatzdiskussion nicht fehlen, bei der das Ganze grunsätzlich in Frage gestellt wird.
Ein »stumpf ist trumpf« der schon über 1000 Beiträge geschrieben hat, kennt sich aus, ist aber dagegen: »das Verfahren ist uralt, auf jeder Kunststoffmesse sind Hersteller die solche Anlagen anbieten, in Indien sind solche Anlagen schon im Einsatz, Gas ist als Antriebsart einfach preiswerter und sauberer und aus Biomasse Kraftstoff zu gewinnen ist der Blödsinn überhaupt, wertvollen Kompost daraus machen ist angesagt und nicht die Schmutzpartikel die Pflanzen gespeichert haben wieder in die Umwelt abzugeben«. Andere betonen, was eigentlich selbstverständlich ist, dass Pyrolyse keine Energie »erzeugt«, sondern nur umwandelt und schon deshalbe »das Energieproblem« nicht lösen könne.
Auch die Tatsache, das Biokohle ein Bodenverbesserungsmittel ist, wird von joribo ersteinmal unter Berufung auf einen Bio-Landwirt bezweifelt. Andere erkläre die Wirkungsweise.
Den einzig effizienten Weg um Holzkohle aus Biomasse zu machen, glaubt estomal in der Hydrothermalen Carboniserung zu erkennen, glaubt aber, sie sei für Gülle nicht geeignet.
Insgesamt ist es recht merkwürdig, dass in telepolis, einem Forum von Technologieaffinen, derart kritische bis vernichtende Anmerkungen kommen, die zudem auf einem profunden Halbwissen beruhen. Unterstützer, die das Prinzip verstanden haben, gibt es kaum. Auf alle Fälle ist die Diskussion ein Lehrbeispiel, worauf man sich einstellen muss, wenn man mit Pyrolyse an die Öffentlichkeit geht.
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