Quelle: Deutsches Textarchiv
Es ist in dem zweiten Teile auseinandergesetzt, daß alle Pflanzen und Pflanzenteile mit dem Aufhören des Lebens zwei Zersetzungsprocesse erleiden, von denen man den einen Gehrung oder Fäulnis, den anderen Verwesung nennt.
Es ist gezeigt worden, daß die Verwesung einen langsamen Verbrennungsproceß bezeichnet, den Vorgang also, wo die verbrennlichen Bestandteile des verwesenden Körpers sich mit dem Sauerstoff der Luft verbinden.
Die Verwesung des Hauptbestandteiles aller Vegetabilien, der Holzfaser, zeigt eine Erscheinung eigentümlicher Art.
Mit Sauerstoff in Berührung, mit Luft umgeben, verwandelt sie nämlich den Sauerstoff in ein ihm gleiches Volumen kohlensaures Gas; mit dem Verschwinden des Sauerstoffs hört die Verwesung auf.
Wird dieses kohlensaure Gas hinweggenommen und durch Sauerstoff ersetzt, so fängt die Verwesung von Neuem an, d. h. der Sauerstoff wird wieder in Kohlensäure verwandelt.
Die Holzfaser besteht nun aus Kohlenstoff und den Elementen des Wassers; von allem Anderen abgesehen, geht ihre Verbrennung vor, wie wenn man reine Kohle bei sehr hohen Temperaturen verbrennt, gerade so, als ob kein Wasserstoff und Sauerstoff mit ihr in der Holzfaser verbunden wäre.
Die Vollendung dieses Verbrennungsprocesses erfordert eine sehr lange Zeit; eine unerläßliche Bedingung zu seiner Unterhaltung ist die Gegenwart von Wasser; Alkalien befördern ihn, Säuren verhindern ihn, alle antiseptischen Materien, schweflige Säure, Quecksilbersalze und brenzliche Öle heben ihn gänzlich auf.
Die in Verwesung begriffene Holzfaser ist der Körper, den wir Humus nennen.
In demselben Grade, als die Verwesung der Holzfaser vorangeschritten ist, vermindert sich ihre Fähigkeit, zu verwesen, d. h. das umgebende Sauerstoffgas in Kohlensäure zu verwandeln, zuletzt bleibt eine gewisse Menge einer braunen oder kohlenartigen Substanz zurück, der sie gänzlich fehlt, man nennt sie Moder; sie ist das Produkt der vollendeten Verwesung der Holzfaser. Der Moder macht den Hauptbestandteil aller Braunkohlenlager und des Torfes aus.
In einem Boden, welcher der Luft zugänglich ist, verhält sich der Humus genau wie an der Luft selbst; er ist einelangsame äußerst andauernde Quelle von Kohlensäure.
Um jedes kleinste Teilchen des verwesenden Humus entsteht, auf Kosten des Sauerstoffs der Luft, eine Atmosphäre von Kohlensäure.
In der Kultur wird durch Bearbeitung und Auflockerung der Erde, der Luft ein möglichst ungehinderter und freier Zutritt verschafft.
Ein so vorbereiteter und feuchter Boden enthält also eine Atmosphäre von Kohlensäure, und damit die erste und wichtigste Nahrung für die junge Pflanze, welche sich darauf entwickeln soll.
Im Frühlinge, wo die Organe fehlen, welche die Natur bestimmt hat, die Nahrung aus der Atmosphäre aufzunehmen, wo diese Organe erst gebildet werden, sind es die Bestandteile des Samens, welche zuerst und ausschließlich zur Bildung der Wurzeln verwendet werden; mit jeder Wurzelfaser erhält die Pflanze einen Mund, eine Lunge, einen Magen.
Von dem Augenblicke an, wo sich die ersten Wurzelfasern gebildet haben, sind sie es, welche die Funktionen der Blätter übernehmen, sie führen aus der Atmosphäre, in der sie sich befinden, aus dem Boden nämlich, Nahrung zu; von dem Humus stammt die Kohlensäure her.
Durch Auflockerung des Bodens um die junge Pflanze, erneuern und vervielfältigen wir den Zutritt der Luft, wir begünstigen damit die Bildung der Kohlensäure; die Quantität
der erzeugten Nahrung würde sich vermindern mit jeder Schwierigkeit, die sich im Boden dieser Lufterneuerung entgegenstellt; bei einem gewissen Grade der Entwicklung der Pflanze ist sie es selbst, welche diesen Luftwechsel bewirkt. Die Atmosphäre von Kohlensäure, welche den unverwesten Teil des Humus vor weiterer Veränderung schützt, wird von den feinen
Wurzelhaaren, den Wurzeln selbst, aufgesaugt und hinweggenommen, sie wird ersetzt durch atmosphärische Luft, die ihren Platz nimmt; die Verwesung schreitet fort, es wird eine neue Quantität Kohlensäure gebildet. In dieser Zeit empfängt die Pflanze von den Wurzeln und äußeren Organen gleichzeitig Nahrung, sie schreitet rasch ihrer Vollendung entgegen.
Ist die Pflanze völlig entwickelt, sind ihre Organe der Ernährung völlig ausgebildet, so bedarf sie der Kohlensäure des Bodens nicht mehr.
Mangel an Feuchtigkeit, völlige Trockenheit des Bodens hemmen die Vollendung ihrer Entwicklung nicht mehr, wenn sie vom Tau und der Luft so viel Feuchtigkeit empfängt, als sie zur Vermittlung der Assimilation bedarf; im heißen Sommer schöpft sie den Kohlenstoff ausschließlich aus der Luft.
Wir wissen bei den Pflanzen nicht, welche Höhe und Stärke ihnen die Natur angewiesen hat, wir kennen nur das gewöhnliche Maß ihrer Größe.
Als große wertvolle Seltenheiten sieht man in London und Amsterdam Eichbäume, von chinesischen Gärtnern gezogen, von anderthalb Fuß Höhe, deren Stamm, Rinde, Zweige und ganzer Habitus ein ehrwürdiges Alter erkennen lassen, und die kleine Teltower Rübe wird in einem Boden, wo ihr frei steht, so viel Nahrung aufzunehmen, als sie kann, zu einem mehrere Pfunde schweren Dickwanst.
Die Masse einer Pflanze steht im Verhältnis zu der Oberfläche der Organe, welche bestimmt sind, Nahrung zuzuführen. Mit jeder Wurzelfaser, jedem Blatt gewinnt die Pflanze einen Mund und Magen mehr.
Der Tätigkeit der Wurzeln, Nahrung aufzunehmen, wird nur durch Mangel eine Grenze gesetzt, ist sie im Überfluß vorhanden, und wird sie zur Ausbildung der vorhandenen Organe nicht völlig verzehrt, so kehrt dieser Überschuss nicht in den Boden zurück, sondern er wird in der Pflanze zur Hervorbringung von neuen Organen verwendet.
Neben der vorhandenen Zelle entsteht eine neue, neben dem entstandenen Zweig und Blatt entwickelt sich ein neuer Zweig, ein neues Blatt; ohne Überschuss an Nahrung wären diese nicht zur Entwicklung gekommen. Der in dem Samen entwickelte Zucker und Schleim verschwindet mit der Ausbildung der Wurzelfasern, der in dem Holzkörper, in den Wurzeln entstehende Zucker und Schleim verschwindet mit der Entwicklung der Knospen, grünen Triebe und Blätter.
Mit der Ausbildung, mit der Anzahl der Organe, der Zweige und Blätter, denen die Atmosphäre Nahrung liefert, wächst in dem nämlichen Verhältnis ihre Fähigkeit, Nahrung aufzunehmen und an Maße zuzunehmen, denn diese Fähigkeit nimmt im Verhältnis wie ihre Oberfläche zu.
Die ausgebildeten Blätter, Triebe und Zweige bedürfen zu ihrer eigenen Erhaltung der Nahrung nicht mehr, sie nehmen an Umfang nicht mehr zu; um als Organe fortzubestehen, haben sie ausschließlich nur die Mittel nötig, die Funktion zu unterhalten, zu der sie die Natur bestimmt hat, sie sind nicht ihrer selbst wegen vorhanden.
Wir wissen, daß diese Funktion in ihrer Fähigkeit besteht, die Kohlensäure der Luft einzusaugen und unter dem Einfluß des Lichts, bei Gegenwart von Feuchtigkeit, ihren Kohlenstoff sich anzueignen.
Diese Funktion ist unausgesetzt, von der ersten Entwicklung an, in Tätigkeit, sie hört nicht auf mit ihrer völligen Ausbildung.
Aber die neuen, aus dieser unausgesetzt fortdauernden Assimilation hervorgehenden Produkte, sie werden nicht mehr für ihre eigene Entwicklung verbraucht, sie dienen jetzt zur weiteren Ausbildung des Holzkörpers und aller ihr ähnlich zusammengesetzten festen Stoffe, es sind die Blätter, welche jetzt die Bildung des Zuckers, des Amylons, der Säuren vermitteln. So lange sie fehlten, hatten die Wurzeln diese Verrichtung in Beziehung auf diejenigen Materien übernommen, welche der Halm, die Knospe, das Blatt und die Zweige zu ihrer Ausbildung bedurften.
In dieser Periode des Lebens nehmen die Organe der Assimilation aus der Atmosphäre mehr Nahrungsstoffe auf, als sie selbst verzehren, und mit der fortschreitenden Entwicklung des Holzkörpers, wo der Zufluß an Nahrung immer der nämliche bleibt, ändert sich die Richtung, in der sie verwendet wird, es beginnt die Entwicklung der Blüte, und mit der Ausbildung der Frucht ist bei den meisten Pflanzen der Funktion der Blätter eine Grenze gesetzt, denn die Produkte ihrer Tätigkeit finden keine Verwendung mehr. Sie unterliegen der Einwirkung des Sauerstoffs, wechseln in Folge derselben gewöhnlich ihre Farbe und fallen ab.
Zwischen der Periode der Blüte und Fruchtbildung entstehen in allen Pflanzen in Folge einer Metamorphose der vorhandenen Stoffe, eine Reihe von neuen Verbindungen, welche vorher fehlten, von Materien, welche Bestandteile der sich bildenden Blüte, Frucht oder des Samens ausmachen.
Eine organisch-chemische Metamorphose ist nun der Akt der Umsetzung der Elemente einer oder mehrerer Verbindungen in zwei oder mehrere neuen, welche diese Elemente in einer anderen Weise gruppiert, oder in anderen Verhältnissen enthalten.
Von zwei Verbindungen, die in Folge dieser Umsetzungen gebildet werden, bleibt die eine als Bestandteil in der Blüte oder Frucht zurück, die andere wird in der Form von Excrementen von der Wurzel abgeschieden.
Die Ernährung des tierischen so wie des vegetabilischen Organismus ist ohne Ausscheidung von Excrementen nicht denkbar. Wir wissen ja, daß der Organismus nichts erzeugt sondern nur verwandelt, daß seine Erhaltung und Reproduktion in Folge der Metamorphose der Nahrungsstoffe geschieht, die seine Elemente enthalten.
Nennen wir die Ursache der Metamorphose Lebenskraft, höhere Temperatur, Licht, Galvanismus oder wie wir sonst wollen, der Akt der Metamorphose ist ein rein chemischer Prozeß; Verbindung und Zerlegung kann nur dann vor sich gehen, wenn die Elemente die Fähigkeit dazu haben. Was der Chemiker Verwandtschaft nennt, bezeichnet weiter nichts als den Grad dieser Fähigkeit.
In der Betrachtung der Gärung und Fäulnis ist weitläufig auseinandergesetzt worden, daß jede Störung in der Anziehung der Elemente einer Verbindung eine Metamorphose hervorruft, die Elemente ordnen sich unter einander zu neuen Verbindungen nach den Geraden ihrer Anziehung, und diese neuen Verbindungen sind unter den gegebenen Bedingungen keiner weiteren Metamorphose mehr fähig.
Die Produkte dieser Metamorphosen ändern sich mit den Ursachen, mit dem Wechsel der Bedingungen, durch die sie hervorgebracht werden, sie sind zahllos wie diese.
Der Charakter einer Säure z. B. ist ein unaufhörliches, bei verschiedenen Säuren ungleich starkes, Streben nach Aus-Gleichung durch eine Base, er verschwindet gänzlich, so wie diesem Streben genügt wird. Der Charakter einer Basis ist der umgekehrte; beide, obwohl in ihren Eigenschaften so verschiedenartig, bewirken durch diese Eigentümlichkeiten in den meisten Fällen einerlei Metamorphose.
Blausäure und Wasser enthalten die Elemente von Kohlensäure, Ammoniak, Harnstoff, Cyanursäure, Cyamelid, Oxalsäure, Ameisensäure, Melam, Ammelid, Melamin, Ammelin, Azulmin, Mellon, Mellonwasserstoff, Allantoin etc. Wir alle wissen, daß die genannten in ihrer Zusammensetzung unendlich verschiedenen Stoffe aus Blausäure und Wasser, in chemischen Metamorphosen der mannigfaltigsten Art, wirklich gebildet werden können.
Der ganze Prozeß der Ernährung der Organismen läßt sich durch die Betrachtung einer einzigen dieser Metamorphosen zur Anschauung bringen.
Blausäure und Wasser z. B. in Berührung mit Salzsäure zerlegen sich augenblicklich in Ameisensäure und Ammoniak; in beiden sind die Elemente der Blausäure und des Wassers, obwohl in einer anderen Form, in anderer Weise geordnet, enthalten.
Es ist das Streben der Salzsäure nach Ausgleichung, wodurch diese Metamorphose bedingt worden ist.
In Folge dieses Strebens erleiden Blausäure und Wasser gleichzeitig eine Zersetzung; der Stickstoff der Blausäure und der Wasserstoff in dem Wasser treten zu einer Basis, zu Ammoniak zusammen, womit sich die Säure verband. Ihrem Streben war, wenn man solche Ausdrücke brauchen darf, Befriedigung geworden, ihr Charakter verschwand. Ammoniak war nur seinen Elementen nach vorhanden, aber die Fähigkeit, Ammoniak zu bilden, war da.
Die gleichzeitige Zersetzung der Blausäure und des Wassers geschah hier nicht in Folge einer chemischen Verwandtschaft der Salzsäure zu Ammoniak, denn Blausäure und Wasser enthalten kein Ammoniak. Eine Verwandtschaft eines Körpers zu einem zweiten, der gar nicht vorhanden, der erst gebildet wird, ist völlig undenkbar, und leicht wird man hieraus entnehmen, wie sehr diese Zersetzungsweisen (es sind dies gerade die, welche man Metamorphosen nennt) von den gewöhnlichen chemischen Zersetzungen abweichen.
In Folge der Bildung von Ammoniak sind Kohlenstoff und Wasserstoff, die anderen Elemente der Blausäure, mit dem Sauerstoff des zersetzten Wassers zu Ameisensäure zusammengetreten; die Elemente und die Fähigkeit, sich zu verbinden, sind vorhanden.
Die Ameisensäure ist also hier das Exkrement; das Ammoniak repräsentiert den durch das Organ assimilierten Stoff.
Das Organ nimmt von den dargebotenen Nahrungsmitteln, was es zu seiner eigenen Erhaltung, was es zu seiner Reproduktion bedarf. Die übrigen Elemente, welche nicht assimiliert werden, treten zu neuen Verbindungen, zu Excrementen zusammen.
Während ihres Weges durch den Organismus kommen die Excremente des einen Organs in Berührung mit einem anderen, durch dessen Einwirkung sie eine neue Metamorphose erfahren; die Excremente des einen Organs enthalten die Elemente der Nahrungsmittel für ein zweites und folgendes; zuletzt werden die, keiner Metamorphose mehr fähigen Stoffe durch die dazu bestimmten Organe aus dem Organismus entfernt. Jedes Organ ist für seine ihm eigentümlichen Funktionen eingerichtet. Ein Cubiczoll Schwefelwasserstoff in die Lunge gebracht, würde augenblicklichen Tod bewirken, indem Darmkanal wird es unter manchen Umständen ohne Nachteil gebildet.
Durch die Nieren werden die in Folge von Metamorphosen entstandenen stickstoffhaltigen, durch die Leber die an Kohlenstoff reichen und durch die Lunge alle wasserstoff- und sauerstoffreichen Excremente aus dem Körper entfernt. Der Weingeist, die keiner Assimilation fähigen ätherischen Öle verdunsten nicht durch die Haut, sondern durch die Lunge.
Die Respiration selbst ist eine langsame Verbrennung, d. h. eine sich stets erneuernde Verwesung. Wendet man auf diesen Prozeß die Regeln an, die sich aus der Betrachtung der verwesenden Materien im Allgemeinen entwickeln lassen, so ist klar, daß in der Lunge selbst der Sauerstoff der Luft mit dem Kohlenstoff einer Kohlenstoffverbindung, direkt keine Kohlensäure bilden kann; es kann nur eine Oxidation von Wasserstoff, oder die Bildung eines höheren Oxides stattfinden. Es wird Sauerstoff aufgenommen, der keine Kohlensäure bildet; es wird Kohlensäure abgeschieden, deren Kohlenstoff und Sauerstoff von einer Materie aus dem Blute stammen *).
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Eine Untersuchung der Luft, die von Lungensüchtigen ausgeatmet wird, so wie ihres Blutes, würde über diese Krankheit großes Licht verbreiten. Verwesung und Fäulnis bedingen sich gegenseitig, wie in dem zweiten Teile auseinander gesetzt ist. Die Zersetzung, welche das Blut in der Lunge erfährt, ist in der Lungensucht eine wahre Fäulnis. Der ganze Körper verwandelt sich in Blut, um das metamorphosierte zu ersetzen. Gewiß verdient es Beachtung, daß alle Mittel, welche diese schreckliche Krankheit milderen und ihren Ausgang verzögern, lauter solche sind, welche der Fäulnis entgegenwirken und sie unter Umständen aufzuheben vermögen. In Gasfabriken, in Salmiakhütten, in Holzessigfabriken, Theerschweelereien, in Gerbereien ist diese Krankheit ganz unbekannt, aber alle Substanzen, mit denen die Arbeiter in diesen Anstalten umgehen, sind Materien, die keine Art von Fäulnis aufkommen lassen. Das Einatmen von Chlor, von Essigsäure und aromatischen Substanzen sind als Linderungsmittel längst erprobt.
*) Eine Untersuchung der Luft, die von Lungensüchtigen ausgeatmet wird, so wie ihres Blutes, würde über diese Krankheit großes Licht verbreiten. Verwesung und Fäulnis bedingen sich gegenseitig, wie in dem zweiten Teile auseinander gesetzt ist. Die Zersetzung, welche das Blut in der Lunge erfährt, ist in der Lungensucht eine wahre Fäulnis. Der ganze Körper verwandelt sich in Blut, um das metamorphosierte zu ersetzen. Gewiß verdient es Beachtung, daß alle Mittel, welche diese schreckliche Krankheit milderen und ihren Ausgang verzögern, lauter solche sind, welche der Fäulnis entgegenwirken und sie unter Umständen aufzuheben vermögen. In Gasfabriken, in Salmiakhütten, in Holzessigfabriken, Theerschweelereien, in Gerbereien ist diese Krankheit ganz unbekannt, aber alle Substanzen, mit denen die Arbeiter in diesen Anstalten umgehen, sind Materien, die keine Art von Fäulnis aufkommen lassen. Das Einatmen von Chlor, von Essigsäure und aromatischen Substanzen sind als Linderungsmittel längst erprobt.
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Durch die Harnwege wird der überflüssige Stickstoff als flüssiges Exkrement, durch den Darmkanal alle, keiner Metamorphose mehr fähigen festen Stoffe, und durch die Lunge alle gasförmigen aus dem Körper entfernt.
Man darf sich durch den Popanz der Lebenskraft nicht abhalten lassen, den Prozeß der Metamorphose der Nahrungsmittel und in ihrem Zusammenhang die Assimilation der Organismen in dem chemischen Gesichtspunkte zu betrachten, um so mehr, da man weiß, wie erfolglos, wie aller Anwendung unfähig die bis jetzt gewählten blieben.
Ist es denn wirklich die Lebenskraft, welche den Zucker, die erste Nahrung der jungen Pflanzen, im Keime erzeugt, welche dem Magen die Fähigkeit gibt, alle Stoffe, die ihm zugeführt werden, zur Assimilation vorzubereiten, ihre Auflösung zu bewirken?
Eine Abkochung von gekeimter Gerste besitzt so wenig wie ein toter Kalbsmagen die Eigenschaft, sich selbst zu reproduzieren, von Leben kann in beiden keine Rede sein. Aber wenn man in die Abkochung der Gerste Amylon bringt, so verwandelt es sich zuerst in einen gummiähnlichen Stoff, zuletzt in Zucker. In der Abkochung des Kalbmagens, der man einige Tropfen Salzsäure zufügt, löst sich hartgekochtes Eiweiß und Muskelfaser gerade so auf, wie in dem Magen selbst *). (Schwann, Schulz).
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*) Das letztere merkwürdige Verhalten ist in dem hiesigen Laboratorium durch einen höchst ausgezeichneten jungen Physiologen Dr. Vogel aufs Vollständigste bestätigt worden.
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Die Fähigkeit, Metamorphosen zu bewirken, gehört also nicht der Lebenskraft an, sie gehen vor sich in Folge von Störungen in der Anziehung der Elemente, in Folge also von chemischen Prozessen.
Diese Prozesse stellen sich in einer anderen Form dar, als wie die Zersetzung von Salzen oder von Oxiden und Schwefelungsstufen. Dies ist keine Frage. Welche Schuld trägt aber die Chemie, wenn die Physiologie von diesen neuen Formen der chemischen Aktionen keine Notiz nimmt!
Wenn wir wissen, daß die Basen aller alkalischen Salze, welche durch organische Säuren gebildet sind, durch die Harnwege in der Form von kohlensauren Alkalien abgeführt werden (Wöhler); ist es rationell, daß der Arzt in der Steinkrankheit seine Patienten Borax unzenweise zu sich nehmen läßt. Kommt denn die Transformation der Harnsteine, die aus Harnsäure bestehen, in die sogenannten Maulbeersteine, welche Oxalsäure enthalten, nicht täglich vor, wenn die in der Stadt lebenden Patienten das Land beziehen, wo sie mehr Vegetabilien genießen. An dem Rhein, wo das weinsaure Kali in so großer Menge genossen wird, haben sich aus den von den Physikatsärzten geführten Listen nur eingewanderte Steinkranke herausgestellt. Sind alle diese Erscheinungen keiner Erklärung fähig?
Aus dem in der Gärung gebildeten Fuselöl der Kartoffeln erzeugen wir das flüchtige Öl der Baldrianwurzel mit allen seinen Eigenschaften (Dumas), aus einem kristallinischen Stoff, aus der Weidenrinde bekommen wir das Öl der Spiraea ulmaria (Piria). Wir sind im Stande, Ameisensäure, Oxalsäure, Harnstoff, den kristallinischen Körper in der allantoischen Flüssigkeit der Kuh, lauter Produkte der Lebenskraft, in unseren Laboratorien zu erzeugen. Wie man sieht, hat diese mysteriöse Lebenskraft viele Beziehungen mit den chemischen Kräften gemein, denn die letzteren können sogar ihre Rolle übernehmen.
Diese Beziehungen sind es nun, welche ausgemittelt werden müssen. Wahrlich, es würde sonderbar erscheinen, wenn die Lebenskraft, die Alles zu ihren Zwecken braucht, wenn sie den chemischen Kräften keinen Anteil gestattete, die ihr zur freisten Verfügung stehen. Sondern wir die Aktionen, welche den chemischen Kräften angehören, von denen, die einem anderen Impuls untergeordnet sind, und wir werden erlangen, was einer vernünftigen Naturforschung erreichbar ist. Den Ausdruck „Lebenskraft“ muß man vorläufig für gleichbedeutend mit dem halten, was die Medizin „spezifisch“ oder „dynamisch“ nennt; Alles ist spezifisch, was man nicht erklären kann, und dynamisch ist die Erklärung von Allem, was man nicht weiß.
Metamorphosen vorhandener Verbindungen gehen in dem ganzen Lebensakte der Pflanzen vor sich, und in Folge derselben gasförmige Sekretionen durch die Blätter und Blüten, fester Excremente in den Rinden und flüssiger löslicher Stoffe durch die Wurzeln. Diese Sekretionen finden statt unmittelbar vor dem Beginn und während der Dauer der Blüte, sie vermindern sich nach der Ausbildung der Frucht; durch die Wurzeln werden kohlenstoffreiche Substanzen abgeschieden und von dem Boden aufgenommen.
In diesen Stoffen, welche unfähig sind, eine Pflanze zu ernähren, empfängt der Boden den größten Teil des Kohlenstoffs wieder, den er den Pflanzen im Anfange ihrer Entwicklung in der Form von Kohlensäure gegeben hatte.
Die von dem Boden aufgenommenen löslichen Excremente gehen durch den Einfluß der Lust und Feuchtigkeit einer fortschreitenden Veränderung entgegen; indem sie der Fäulnis und Verwesung unterliegen, erzeugt sich aus ihnen wieder der Nahrungsstoff einer neuen Generation, sie gehen in Humus über. Die im Herbste fallenden Blätter im Walde, die alten Wurzeln der Graspflanzen auf den Wiesen verwandeln sich durch diese Einflüsse ebenfalls in Humus. In dieser Form empfängt
der Boden im Ganzen an Kohlenstoff mehr wieder, als der verwesende Humus als Kohlensäure abgab.
Im Allgemeinen erschöpft keine Pflanze in ihrem Zustande
der normalen Entwicklung den Boden, in Beziehung auf
seinen Gehalt an Kohlenstoff; sie macht ihn im Gegenteil reicher
daran. Wenn aber die Pflanzen dem Boden den empfangenen Kohlenstoff wiedergeben, wenn sie ihn daran reicher machen, so ist klar, daß diejenige Menge, die wir in irgend einer Form bei der Ernte dem Boden nehmen, daß diese ihren Ursprung der Atmosphäre verdankt. Die Wirkung des Humus geht auf eine klare und unzweideutige Weise aus dem Vorhergehenden hervor.
Der Humus ernährt die Pflanze nicht, weil er im löslichen Zustande von derselben aufgenommen und als solcher assimiliert wird, sondern weil er eine langsame und andauernde Quelle von Kohlensäure darstellt, welche als das Hauptnahrungsmittel die Wurzeln der jungen Pflanze zu einer Zeit mit Nahrung versieht, wo die äußeren Organe der atmosphärischen Ernährung fehlen.
Die Oberfläche der Erde war vor der gegenwärtigen Periode mit Pflanzen bedeckt, deren Trümmer und Überreste die Braun- und Steinkohlenlager bilden.
Alle diese riesenhaften Palmen, Gräser, Farnkräuter etc. gehören zu Pflanzenarten, denen die Natur durch eine ungeheure Ausdehnung der Blätter die Fähigkeit gegeben hat, den Boden für ihre Nahrung ganz zu entbehren.
Sie sind in dieser Beziehung ähnlich den Wurzel- und Zwiebelgewächsen, deren atmosphärische Organe im Anfange ihres Lebens auf Kosten ihrer eigenen Maße ernährt und entwickelt werden.
Noch jetzt rechnet man diese Klasse von Gewächsen zudenen, welche den Boden nicht erschöpfen.
Alle Pflanzen der früheren Generationen unterscheiden sich von den gegenwärtig lebenden, durch die unbedeutende und schwache Entwicklung der Wurzel. Man findet in den Braunkohlenlagern Früchte, Blätter, Samen, beinahe alle Teile der vorweltlichen Pflanzen, allein die Wurzeln findet man nicht darin. Die Gefäßbündel, woraus sie bestanden, die leicht veränderlichen, schwammigen Zellen, sie waren es zuerst, welche der Zersetzung unterlagen, aber an Eichen und anderen Bäumen, die in späteren Perioden durch ähnliche Revolutionen dieselben Veränderungen, wie die urweltlichen Gewächse erlitten haben, fehlen die Wurzeln niemals.
In den heißen Klimata sind die grünenden Gewächse mehrenteils solche, die nur einer Befestigung in dem Boden bedürfen, um ohne seine Mitwirkung sich zu entwickeln. Wie verschwindend ist bei den Cactus-, Sedum- und Sempervivum-Arten die Wurzel gegen die Maße, gegen die Oberfläche der Blätter, und in dem dürrsten, trockensten Sand, wo von einer Zuführung von Nahrung durch die Wurzel gar nicht die Rede sein kann, sehen wir die milchsaftführenden Gewächse zur vollsten Entwicklung gelangen; die aus der Luft aufgenommene, zu ihrer Existenz unentbehrliche Feuchtigkeit, wird durch die Beschaffenheit des Saftes selbst vor der Verdunstung geschützt; Kautschuk, Wachs, umgeben, wie in den öligen Emulsionen, das Wasser mit einer Art undurchdringlichen Hülle, sie strotzen von Saft. Wie in der Milch die sich bildende Haut der Verdunstung eine Grenze setzt, so in diesen Pflanzen der Milchsaft.
Es würde nach den vorhergegangenen Betrachtungen völlig zwecklos und überflüssig erscheinen, wenn man durch einzelne Beispiele von Pflanzen, die in Versuchen im Kleinen, ohne Beihilfe von Dammerde zur völligen Ausbildung gebracht worden sind, zu den Beweisen, die man über den Ursprung des Kohlenstoffs hat, noch neue hinzufügen wollte, die sie unter keinerlei Umständen schlagender und überzeugender machen können. Es kann aber hier nicht unerwähnt gelassen werden, daß die gewöhnliche Holzkohle in ihrer eigentümlichen Beschaffenheit und durch die Eigenschaften, die man an ihr kennt, die Dammerde, den Humus aufs Vollständigste vertreten kann. Die Versuche und Erfahrungen von Lukas, welche diesem Werke beigegeben sind, überheben mich einer jeden weiteren Auseinandersetzung ihrer Wirksamkeit.
Man kann in ausgeglühtem (etwas ausgewaschenem) Kohlenpulver Pflanzen zur üppigsten Entwicklung, zum Blühen und zur Fruchtbildung bringen, wenn sie mit Regenwasser feucht erhalten werden.
Die Holzkohle ist aber der unveränderlichste, indifferenteste Körper, den man kennt, das Einzige, was sie der Pflanze von ihrer eigenen Maße abgeben kann, ist Kalk oder Kieselerde; man weiß, daß sie sich Jahrhunderte lang zu erhalten vermag, daß sie also der Verwesung nicht unterworfen ist.
Wir erkennen nun in der Holzkohle das Vermögen, Luft und kohlensaures Gas in ihren Poren zu verdichten, sie ist es, welche die sich bildende Wurzel, gerade so wie beim Humus, mit einer Atmosphäre von Kohlensäure und Luft versieht, eine Atmosphäre, die sich eben so schnell wieder erneuert, als sie hinweggenommen wird.
In Kohlenpulver, welches in den Versuchen von Lukas mehrere Jahre zu diesen Zwecken gedient hatte, fand Buchner über 2 Prozent einer braunen in Alkalien löslichen Materie, sie stammt von den Sekretionen der Wurzeln her, die in dem Kohlenpulver vegetieren.
Läßt man eine Pflanze in einem eingeschlossenen Gefäße wachsen, so daß die Luft und mit der Luft die Kohlensäure sich nicht erneuern können, so stirbt die Pflanze, gerade so wie sie im luftleeren Raume der Luftpumpe in Stickgas, in kohlensaurem Gas sterben würde, selbst wenn sie in die fruchtbarste Dammerde gepflanzt wäre.
Sie kommen aber im Kohlenpulver unter den gewöhnlichen Verhältnissen, wenn sie, anstatt mit Regen- oder Flußwasser, mit reinem destillierten Wasser begossen wird, nicht zur Fruchtbildung. Das Regenwasser muß deshalb noch eine Bedingung des Lebens der Pflanzen in sich schließen, und wir werden sehen, daß diese in einer Stickstoffverbindung besteht, bei deren Ausschluß der Humus und die Kohle ihren Einfluß auf die Vegetation gänzlich verlieren.
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